Gemeinderäte und Mitglieder des Jugendparlaments informierten sich vor Ort über das Flüchtlingswohnheim. Foto: Rapthel-Kieser

Gemeinderat schließt beim Besuch des Flüchtlingswohnheims einen Teil der Presse aus.

Burladingen - Bevor die 13 Burladinger Gemeinderäte sich im Jugendraum des Hechinger Flüchtlingswohnheims bei Bewohnern und Betreuern informierten, hielten sie schnell noch eine spontane, nichtöffentliche Sitzung ab. Sie beschlossen, Medien von Funk und Fernsehen wegzuschicken.

Für diese ein Eklat. Denn die Lokalpresse, vorher für alle im Verteiler sichtbar eingeladen, durfte bleiben. Einige der Gemeinderäte, allen voran Friedemann Mutschler (CDU), fühlten sich von den nicht erwarteten und ihnen nicht persönlich bekannten Rundfunk-Journalisten wohl überrascht, wollten sich nicht vor Kameras und Mikrofone des SWR stellen und hatten vielleicht auch Bedenken vor einer wiederum landesweiten Negativ-Berichterstattung.

Der Initiator und Organisator der Veranstaltung, Alexander Schülzle (Freie Wähler), musste zähneknirschend die Majorität seiner Amtskollegen akzeptieren, vor die Tür treten und die Journalisten verlesen. Erst nach diesem rund halbstündigen Vorgeplänkel konnte es dann losgehen mit der Informationsveranstaltung.

Spannende Gesprächsrunde

Insgesamt sind es neun Mitarbeiter des Erzbischöflichen Kinderheims Haus Nazareth, die die derzeit 38 Jugendlichen im ehemaligen Hechinger Krankenhaus betreuen. In der Gesprächsrunde waren sie vertreten durch Sozialarbeiter und Familientherapeut Winfried Fritz, der auch auf Traumaopfer spezialisiert ist, die Hausleiterin Janina Gille, den Referatsleiter Martin Ludwig und Direktor Peter Baumeister. Auch Angelika Vogt vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg kam dazu, freute sich, dass auch drei Mitglieder des Jugendparlaments Burladingen mitgekommen waren und eifrig Fragen stellten.

Die Betreuer erklärten, dass nur einige der 14 bis 18-jährigen Asylbewerber – die, die immer noch etwas mehr Anleitung und Hilfe brauchen – in einer Wohngruppe in dem Gebäude untergebracht sind. Die anderen wohnen im Wohnheim in Doppelzimmern und seien in vielen Bereichen schon sehr selbständig. Zwei von den jungen Flüchtlingen, einen 16-jährigen und eine 17-jährigen Afghanen, lernten die Gemeinderäte dann auch kennen, stellten ihnen Fragen und waren prompt beeindruckt von den Deutschkenntnissen, die sich die Jugendlichen in nicht einmal einem Jahr erworben hatten.

Überhaupt zeichneten sich die jungen Menschen mit Fluchterfahrung fast alle durch Wissbegier, Lernwilligkeit und Zielstrebigkeit aus. Die Jugendsozialarbeiter mussten einräumen, dass dies für sie eine völlig neue Erfahrung war. Auch, dass die jungen Männer "Danke" sagen, mithelfen wollen, fragen, was sie tun können in der Einrichtung, finden die Betreuer bemerkenswert.

Eltern bei der NATO

"Wer in dem Alter über 1000 Kilometer zurücklegt, um nach Deutschland zu kommen, hat ein Ziel vor Augen", kommentierte Martin Ludwig. Betroffene Gesichter, als die Gemeinderäte begriffen, dass sie die Kinder von Alliierten vor sich haben. Denn einer berichtete, dass seine Eltern für die NATO-Truppen tätig waren und jetzt vor den Feinden nicht mehr sicher seien. Wenigstens für ihn und seine Brüder wollten die Eltern eine Zukunft sichern.

Aber: "Als Moslem hat man Angst, nach Amerika zu gehen. Aber hier hat man eine starke Demokratie und Deutschland ist sicher", kommentierte der junge Mann seine Sicht auf sein vielleicht neues Heimatland. Sein Freund würde gerne Medizin studieren und, wenn es die Verhältnisse erlauben, in sein Heimatland Afghanistan zurückkehren und dann den Menschen dort helfen. Ausländerfeindlichkeit in Hechingen? "Nein, noch nie. Ich habe viele deutsche Freunde", stellte der junge Afghane, erstaunt über die Frage, klar. Aber er sagte es deutlich: "So weit weg, ohne Mutter, ohne Vater, das ist schwer."

Ein Grund, warum das Internet und Handys für die jungen Männer eine so große Rolle spielen und sie oft gehäuft an öffentlichen Hotspots zu finden sind. "Das ist für sie die einzige Verbindung zur Familie. Das ist existenziell", sagt Ludwig, der die Räte auch bat, ausrangierte internetfähige Handys nicht in die Schublade zu legen, sondern vielleicht der Einrichtung zu spenden. Das Taschengeld der jungen Leute sei schmal – 12 Euro in der Woche – und große Anschaffungen sind so kaum drin.

Noch einige Hürden

Einer der Burladinger Räte fragte nach, was sich die Betreuer von der Bürokratie und der Politik noch wünschen würden. Die Sozialarbeiter berichteten davon, dass Handwerk und Industrie die jungen Menschen lieber heute als morgen in Ausbildungsverhältnisse übernehmen sollten, dass aber Unsicherheiten den Status betreffend und viele bürokratische Hürden dem im Weg stünden. Sie ließen aber keinen Zweifel daran, Baden-Württemberg mit der Einrichtung spezieller Sprach- und Vorbereitungsklassen und auch der Zollernalbkreis mit seinem Kreistag und einem Landrat, der oft in die Einrichtung komme, weil ihm das Thema wichtig ist, seien beispielhaft. "Ein Leuchtturmprojekt", schwärmte auch CDU-Frontfrau Dörte Conradi zum Abschluss und sicherte zu, ihre Eindrücke auch in den Kreistag tragen zu wollen.