Diskutierten über die Hausarztversorgung im ländlichen Raum (v.l.n.r.): Johannes Fechner von der Kassenärztlichen Vereinigung, die Burladinger Ärztin Ulrike Abt, der Landtagsabgeordnete Hans-Martin Haller, die Stuttgarter Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Katrin Altpeter, der Burladinger Bürgermeister Harry Ebert und der Geschäftsführer der AOK Neckar-Alb, Klaus Knoll. Foto: Wais Foto: Schwarzwälder-Bote

Fachdiskussion in Burladingen über Zukunft der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum

Von Eberhard Wais

Burladingen. Dass im ländlichen Raum bald Hausärzte herrschen fehlen, zeichnet sich ab. Auch deshalb hat Burladingen das Thema "Ärztehaus" auf der kommunalpolitischen Tagesordnung. Nun wurde in der Stadt grundlegend über das Thema geredet. Auch die Landesministerin war da.

Auf Einladung der SPD-Kreistagsfraktion diskutierten gestern im voll besetzten Bahnhofsaal neben Burladingens Bürgermeister Harry Ebert und der Burladinger Ärztin Ulrike Abt auch der Geschäftsführer der AOK Neckar-Alb, Klaus Knoll, mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Hans-Martin Haller, der Ministerin für Arbeit und Sozialordnung Baden-Württemberg, Katrin Altpeter, und dem Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Johannes Fechner.

Thema waren Probleme und Möglichkeiten der Hausärzteversorgung im ländlichen Raum. Schnell wurde klar, dass die Versorgung mit Allgemeinmedizinern und Fachärzten je nach Gegend stark voneinander abweicht, ebenso die Meinung, wann eine Unterversorgung droht. Deutlich jedoch ist das Stadt-Land-Gefälle. Ist die Ärzteversorgung also ein Verteilungsproblem, wie Hans-Martin Haller in den Raum fragte.

Burladingens Bürgermeister Harry Ebert sieht die Dinge aus seiner Perspektive: "Was nutzt es mir in Burladingen, wenn der Kopf im Kühlschrank liegt und die Füße im Feuer brennen". Das sei nur statistisch eine mittlere Temperatur. Womit er meint: In kleineren Kommunen wie Burladingen ist der Notstand absehbar.

Dass Lösungen schwierig sind, hat Burladingen mit seinem geplanten Ärztehaus schon erfahren. Eine Untersuchung der Verwaltung habe gezeigt, dass die Burladinger Praxen baulich weitgehend veraltet sind, nicht behindertengerecht. Klaus Knoll sieht zudem das gesellschaftliche Problem, dass junge Mediziner Facharzt und nicht Hausarzt werden wollen. Er begrüßt deshalb den neu geplanten Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Uni Tübingen. Er plädiert für die von der AOK angebotenen Hausarztverträge, die bessere Vergütung, geringere Bürokratie und eine Entlastung von Routinearbeiten versprechen.

Ministerin Altpeter wies auf grundlegende Veränderungen hin. Mehrfach betonte sie, dass die "guten alten Zeiten" mit der Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch Hausärzte vorbei sei. Auch sieht sie Motivationsbedarf bei den jungen Ärzten und wünscht sich eine bessere Vergütung für die "sprechende" Medizin (wenn der Arzt sich also Zeit für ein Gespräch nimmt). Aussagen, die allgemein blieben, während Harry Ebert aus dem Ärztehaus-Projekt ganz konkrete Erfahrungen schilderte. Gespräche mit neun möglichen Investoren für ein Ärztehaus hätten sich zerschlagen, weil sie keine auskömmliche Rendite erwartet hätten. Die Idee, dass die Stadt sich beteiligt, sei dem Gemeinderat aber zu riskant erschienen. Er hoffe auf mehr Unterstützung durch das Land, sagte er in Richtung der Ministerin. Konkrete Zusagen machte die freilich nicht.

Es geht ohnehin nicht nur ums Geld, ergänzt die Burladinger Ärztin Ulrike Abt. Dass junge Mediziner von einer eigenen Praxis im ländlichen Raum zurückschrecken, hänge auch mit familiären und sozialen Rahmenbedingungen zusammen. Möglichkeit zu Teilzeitbeschäftigung, sprach sie an. Eine wichtige Frage, denn rund 75 Prozent der Mediziner in Ausbildung sind Frauen. Ein Zwölf-Stunden-Tag und Familie lassen sich schlecht verbinden. Kooperation in Gemeinschaftspraxen sei ein Weg, der über ein Ärztehaus ermöglich werde, argumentierte sie.

Für Johannes Fechner von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg gehören auch Arbeitsplatzangebote für Lebenspartner des ansiedlungswilligen Mediziners zum Gesamtkonzept. Verfügbare Praxen gebe es genug. Auch er sieht die Einzelpraxis als Auslaufmodell.

Ein vielschichtiges Problem sei das, erklärte auch Hans-Martin Haller. Die Schwierigkeiten steckten hier im Detail. Das bestätigte auch die Fragerunde. Der Albstädter Urologe Christian Andres beklagte, dass die wirtschaftliche Basis seiner Praxis durch immer neue Reglementierungen und Fallbeschränkung der Kassenärztliche Vereinigung gefährdet sei (was nur für Fachärzte gilt). Dass ein Mediziner in der Schweiz das Doppelte verdient, ist auch Teil des Problems.

Viele Fragen waren in der auf eineinhalb Stunden begrenzten Veranstaltung nur ansatzweise zu beantworten. Aber es zeichnete sich klar ab, dass die Ärzteversorgung im ländlichen Raum nur über die Kooperation in größeren Einheiten eine Zukunft hat.