Norbert Hein in einem Auto der Paravan-Werkstatt mit den "Flohbügeln". Die erfand der kreative Fahrzeugbauer für einen Kunden, dem ein Arm fehlte. Für Schauspielerin Denise Marco baute der Service-Techniker einen roten Golf um. Danach gab es ein Foto mit dem Verkaufsberater Maurice Möritz (links) und Andreas Frisch, bei Paravan für das Management International zuständig. Fotos: Rapthel-Kieser/Paravan Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: Der Melchinger Norbert Hein baut als Techniker bei Paravan an Autos für behinderte Menschen

Von Erika Rapthel-Kieser

Wenn er seinen Job gemacht hat, fließen oft Tränen. Freudentränen. Der 48-jährige Melchinger Norbert Hein, Spitzname Floh, ist ein ganz besonderer Fahrzeugbauer. Bei der Firma Paravan in Pfronstetten-Aichelau tüftelt er an Spezialanfertigungen für behinderte Menschen.

Burladingen-Melchingen/Pfronstetten. "Ich lerne auch noch jeden Tag etwas dazu", erzählt Hein über seine Arbeit. Dabei ist der gelernte Kfz-Mechaniker und Autoschlosser, der in Melchingen auf der Schwäbischen Alb wohnt, eigentlich ein alter Hase. Aber einer, der nicht auf eingefahrenen Wegen bleibt, sondern immer mal wieder etwas Neues erfindet, um Menschen mit Behinderungen zu mehr Normalität im Alltag, zu mehr Freiheit oder einem normalen Berufsleben zu verhelfen.

Die Firma Paravan in Pfronstetten, für die er seit 15 Jahren arbeitet, hat sich genau darauf spezialisiert, bietet Mobilitätslösungen, die sie ihren Kunden sozusagen auf den Leib schneidert. Denn, so Hein: "Jede Behinderung ist anders, und es gibt selten zwei Menschen mit genau den gleichen Handicaps".

Seine Kunden muss der Kfz-Mechaniker und Tüftler deshalb sehr gut kennen und über ihre Behinderungen, Einschränkungen und Probleme als allererstes mit ihnen reden. "Am Anfang war das ungewohnt, da hab ich eine Scheu gehabt", räumt der Schwabe ein. Inzwischen ist es Alltag und Teil genau jener Normalität, zu der Hein seinen Kunden verhelfen will.

"Ich hab eben nicht nur mit Autos zu tun, sondern auch mit Menschen. Da ist viel Psychologie gefragt", sagt er. Das Kennenlernen und intensive Gespräche stehen deshalb immer am Anfang von einem Auftrag. Die Ochsen-Tour durch das Behördendickicht haben viele der Kunden da bereits hinter sich. "Es kann oft Jahre gehen, bis die das Auto genehmigt kriegen", berichtet der 48-Jährige.

Wenn das durch ist, gibt es das nächste Hindernis: Den Führerschein machen. Das geht ja nicht einfach so, wenn man kleinwüchsig ist oder während der Fahrt im Rollstuhl hinter dem Steuer sitzen muss. Deshalb werden in Heins Firma nicht nur Autos umgebaut. Es gibt auch Fahrlehrer, ein Fahrschulteam und einen Trainingsparcours in Aichelau.

Jeder Wagen wird mehrfach angepasst, egal ob es ein Van sein muss oder ein normaler Kleinwagen. Je nach Modell kostet er dann zwischen 60 000 oder 100 000 Euro, denn in manchem Gefährt ist fast alles speziell angefertigt. Manchmal sind es aber auch nur Pedalerhöhungen oder Rampen für Fahrstühle, ein andermal ein Zwei-Wege-Joystick, ein Sprachmodul, ein spezielles Lenkrad oder die Rückhaltebügel, die Hein selber erfunden hat. Deshalb nennen seine Kollegen sie die "Flohbügel".

"Ich hatte einen Kunden, dem fehlte ein Arm. Der kann das umgebaute Lenkrad bedienen. Aber wie schnallen wir den an?", fragte sich Hein. Ein normaler Sicherheitsgurt hätte nicht funktioniert. Nach einigem Überlegen hatte er die Idee. "Wir machen es wie bei manchen Fahrgeschäften auf dem Rummel, die Bügel kommen von hinten und umschließen den Oberkörper." Ein Ingenieur ging noch mal ins Detail und der Flohbügel bei Paravan schließlich in Serie. Wie so manches andere, was Hein austüftelte.

"Mein Freiheitsgefühl beim ersten Ausflug kann man mit Worten nicht beschreiben, und es ist in Gold nicht aufzuwiegen", sagte eine seiner Kundinnen, nach der ersten Probefahrt rund um Aichelau. Aber es ist nicht nur das Wohlfühlen und die neue Freiheit. "Jetzt kann ich weiter meinem Beruf nachgehen", freut sich ein anderer nach seinem schweren Unfall über die Re-Integration in die Arbeitswelt.

Zu Heins Kunden gehören auch einige Prominente, wie Denise Marco, die im Fernsehfilm über den Contergan-Skandal eine Betroffene spielt oder der kleinwüchsige Musiker und Schauspieler Johannes Puscheck. Mit dem einen oder anderen verbindet Hein inzwischen eine Freundschaft. Und für einige seiner Kunden baut der Melchinger bereits das zweite Auto um. "Und die sind dann erstaunt, welchen Fortschritt die Technik in nur 15 Jahren gemacht hat und was jetzt alles wieder neu ist und inzwischen geht."

Die Firma Paravan wurde 2005 von Roland Arnold gegründet. Der war gelernter Kfz-Mechaniker und Reifenhändler. 1997 half er auf einem Autobahnparkplatz einer Frau, ihren schwerstbehinderten Mann ins Auto zu hieven. Der Vorfall veränderte sein Leben. Arnold begann in seiner Autowerkstatt zu tüfteln, legte 2003 seine ersten Patente vor. Mittlerweile hat sein Mobilitätspark in Aichelau 50 000 Quadratmeter, 10 000 davon allein die Werkstatt. Die Firma hat 140 Beschäftigte, und rund 50 bis 60 umgebaute Fahrzeuge verlassen jede Woche das Gelände. Roland Arnold erhielte zahlreiche Innovationspreise und Paravan wurde zum Weltmarktführer der Branche.