Martin Ahanonu (Mitte) beweist in "Wohin des Weges" – hier im Gespräch mit Franz Xaver Ott – sein komödiantisches Talent. Das Theaterstück und Flüchtlingsprojekt feierte nun am Lindenhof Premiere. Foto: Hartmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

Theater: Flüchtlingsprojekt "Wohin des Weges" am Theater Lindenhof so außergewöhnlich wie anrührend

Von Erika Rapthel-Kieser

Es gab Szenenapplaus und Stakkato-Beifall am Ende: Das Publikum zollte während und nach der Premiere des Stücks "Wohin des Weges" am Theater Lindenhof den Machern und Darstellern das verdiente Lob.

Burladingen-Melchingen. Das nicht einmal eineinhalbstündige Stück, zusammengesetzt aus Sprach- und Gesangscollagen, aus Spielszenen, in denen Autobiografisches und Literarisches nebeneinander seine Wirkung entfaltet, kommt dabei so außergewöhnlich wie anrührend daher. Flüchtlinge, die ihre eigene Geschichte auf der Bühne erzählen, spielerisch, mal mit Humor, mal mit offensichtlicher Betroffenheit oder Trauer. Mutig, wie Regisseur Oliver Moumouris das Thema angeht. Denn das Spiel hat keinen roten Faden, es bleibt Fragment.

Allein der Sprachklang entfaltet Wirkung

Die Wirkung ist dennoch frappierend. Denn Moumouris’ Rechnung geht auf: Allein der Sprachklang entfaltet in manchen Szenen seine Wirkung, auch, wenn der Zuschauer die Worte nicht immer versteht. Da gibt es arabische Volkslieder, von Jian Haj Suleimann und ihrem Bruder Javan Haj Suleiman vorgetragen, oder Moumouris lässt die aus Syrien stammende Fatima Yahia zusammen mit ihrem Bruder munter auf Arabisch rappen. Musik baut Brücken.

In den auf Deutsch gespielten Szenen geht es dann ums Kopftuchtragen und um die Kehrwoche, um Essgewohnheiten, den Stellenwert der Tiere, um den Umgang mit dem Tod und die Gottesfrage. Der Regisseur und die Darsteller, darunter neun Flüchtlinge und der Bühnenprofi Franz Xaver Ott, lassen die Kulturen kollidieren, bieten aber keine Patentlösungen an. Dass dabei der Humor immer wieder durchblitzt, ist vor allem dem komödiantischen Talent des Nigerianers Martin Ahanonu zu verdanken, der so mancher Szene Leichtigkeit und Unbeschwertheit verleiht.

Mit beklemmender Dichte gespielt ist dagegen jene Sequenz, in denen die Flüchtlinge zu viert, Rücken an Rücken, im Scheinwerferlicht stehen und jeweils der dem Publikum Zugewandte seine Geschichte erzählt. Einer, der auf dem überfüllten Boot Angst vorm Ertrinken hatte, ein anderer, der erlebte, wie Schlepper ein schlafendes Kind einfach in der Fremde im Wald zurück ließen, oder der, der in Plastik verpackt bei der Flucht fast erstickt wäre. Dem gegenüber die Geschichte von Philemon und Baucis, dem armen griechischen Paar, das so bereitwillig Fremde aufnimmt und von den Göttern dafür belohnt wird. Die Flüchtlinge und deutschen Laiendarsteller erzählen sie auf Arabisch und Deutsch.

Die elfjährige Pfarrerstochter Noemi Rose aus Mägerkingen, schließlich zitiert aus der Altersschrift von Immanuel Kant "Zum ewigen Frieden", in der es um das Weltbürgerrecht und die Verpflichtung zur Gastfreundschaft geht. Sie beantwortet damit abschließend die Frage, die einer der Flüchtlinge einem Deutschen zuvor entgegen geschleudert hatte: Wem gehört die Welt? Keinem und deshalb allen.