Ramona Rausch (links) und die Gauselfingerin Katja Kunzelmann-Schäfer sammeln alte Zöpfe. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Gauselfinger Friseurmeisterin Katja Kunzelmann-Schäfer ist hinter den langen Haaren ihrer Kunden her

Von Erika Rapthel-Kieser

Burladingen-Gauselfingen. Wenn in der Politik alte Zöpfe abgeschnitten werden, bedeutet das meist Aufbruch in die Moderne. Oft trennen sich Menschen von ihrem langen Haupthaar für eine trendige, neue Kurzhaarfrisur. Dass sie mit ihrem Zopf danach noch Gutes tun können, wissen die wenigsten.

Seit zwei Jahren hilft die Gauselfinger Friseurmeisterin Katja Kunzelmann-Schäfer ihren Kunden genau dabei. Die 39-Jährige hat den Betrieb einst von ihrer Mutter übernommen, führt ihn in der zweiten Generation jetzt weiter, holte 1998 den Titel als Deutsche Meisterin und Vize-Europameisterin als Friseurin im Damenfach und hat vor wenigen Jahren ihren Salon neu gebaut. Zweistöckig mit viel Licht, großen Fenstern und einer Wendeltreppe nach oben. "Das ist ein bisschen wie mein Rapunzelturm", sagt sie lachend und klappert mit der Schere.

Vor ihr ausgebreitet liegen einige wunderschön-seidig-glänzende Zöpfe in verschiedenen Farben und Längen. Alle mindestens 25 Zentimeter lang. Sie sind sehr wertvoll, denn: "Unbehandeltes langes Haar gibt es kaum noch. Das meiste ist entweder dauergewellt oder chemisch behandelt, gesträhnt oder gefärbt. Dann ist es unbrauchbar für uns", sagt Kunzelmann-Schäfer. Mit "uns" meint sie ihren Berufsverband, den Bundesverband der Zweithaar-Spezialisten e.V. (BVZ), der vor einigen Jahren die Aktion "Rapunzel" ins Leben gerufen hat. Langes unbehandeltes Echthaar wird von den Mitgliedern gesammelt, zur Geschäftsstelle des Bundesverbandes gesandt und von dort aus für einen guten Zweck versteigert. Im Zollernalbkreis sind es außer Kunzelmann-Schäfer auch ihre Kollegen Marcus Agarico in Winterlingen, Isabell Pöder aus Balingen und der Bisinger Timo Haug, die sich an der Rapunzel-Aktion beteiligen und die langen Haare ihrer Kunden sammeln.

"Im vergangenen Jahr waren es 35 Kilogramm echtes Haar, das da zusammengekommen ist. Ein neuer Rekord, es wird jedes Jahr mehr", freut sich die BVZ-Geschäftsführerin Ramona Rausch aus Rosenfeld. Sie war auch bei jener Messe dabei, bei der die Zöpfe im vergangenen April unter den Hammer kamen. 10 000 Euro war das Höchstgebot, der Käufer legte freiwillig nochmal 2000 Euro drauf. "Das Geld haben wir, so wie in jedem Jahr, für einen guten Zweck gespendet. Diesmal ging es an die Ronald-McDonald-Häuser, die Eltern und Geschwistern kranker Kinder für die Zeit der Behandlung ein Zuhause in der Nähe des erkrankten Kindes bieten."

Aus den 35 Kilogramm Echthaar werden wieder Frisuren. Zweithaar, wie die Profis Perücken oder auch Haarteile inzwischen nennen. Auf die sind längst nicht nur Frauen nach schweren Erkrankungen oder Chemotherapie angewiesen. "Unser Fokus liegt im Moment bei jungen Männern, die sehr geknickt sind, wenn sie früh an Haarausfall leiden und dann professionelle Hilfe brauchen", erzählt Rausch. Im Grimm’schen Märchen Rapunzel lässt die Schöne im Turm ihr Haar herab und macht damit einen Prinzen glücklich. Anscheinend werden immer noch Märchen wahr.