Michael Theurer wünscht sich mehr Mut für Deutschland. Und das Comeback für die Liberalen im Bund. Foto: dpa

FDP-Spitzenkandidat aus BaWü wünscht sich mehr Mut für Deutschland. Und das Comeback für die Liberalen im Bund.

Oberndorf - Michael Theurer packt an. Die Hemd-Ärmel hochgekrempelt, den KleisterBesen in der Hand, steht der FDP-Spitzenkandidat für Baden-Württemberg vor seinem Plakat in seinem Wahlkreis in Karlsruhe Stadt. Sonderlich angestrengt sieht der 50-Jährige auf dem gestellten Kampagnen-Bild nicht aus. Sinnbildlich ist es aber allemal.

Die FDP ist in Aufbruchstimmung. Beim jüngsten ZDF-Politbarometer liegen die Liberalen um die 10 Prozent – und würden damit nach vier Jahren bundespolitischer Abstinenz wieder in den Bundestag einziehen.

FDP-Landeschef Theurer merkt man die liberale Hochstimmung an: "Die Existenzfrage stellt sich für uns bei dieser Wahl insofern nicht, als dass wir sehr zuversichtlich sind, in den Bundestag einzuziehen", sagt der frühere Horber Oberbürgermeister selbstbewusst während des Redaktionsbesuchs bei unserer Zeitung. Vergessen scheint das Wahl-Debakel von 2013. Vergessen auch die Auflösungserscheinungen, mit denen die Liberalen lange zu kämpfen hatten.

"Eine Lehre aus 2013 ist: Die enge Anlehnung an die CDU bis zur Ununterscheidbarkeit war ein Fehler, den wir nicht mehr wiederholen werden", sagt Theurer rückblickend. Er wolle aber ohnehin lieber über die Zukunft reden und wischt mit einer ausladenden Handbewegung die Vergangenheit vom Tisch.

Die Zukunft von Theurers FDP ist digital. "Digital first – Bedenken second" ist auf einem Wahlplakat zu lesen. Dazu ein Bild von Parteichef Christian Lindner, der betont lässig mit Kopfhörern auf den Bildschirm seines Smartphones schaut. Das Plakat erinnert an die Werbung eines jungen, hippen Start-Up-Unternehmens.

"Re-Start-Up" nennt Theurer diesen Neuanfang der Liberalen. Die Digitalisierung unserer Lebenswelt sei eines der Kernthemen der neuen FDP. Zu lange habe man das Thema in Berlin vernachlässigt. "Ich kann nicht erkennen, dass wir in Deutschland eine abgestimmte Digitalisierungs- und Globalisierungsstrategie verfolgen", kritisiert Theurer den Umgang der schwarz-roten Koalition mit dem Thema. Das sei mehr als fahrlässig. Vor allem mit Blick auf die deutsche Wirtschaft.

"Deutschland muss die Digitalisierung beherrschen, um mit ihr seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten", postuliert Theurer. Längst hätten andere Staaten, allen voran die USA, die Nase vorn. Der Handlungsdruck sei groß. Theurer wird ernst. "Ich spreche in diesem Zusammenhang vom ›digitalen Tsunami‹, und es besteht die Gefahr, dass er weite Teile des Mittelstandes erfasst", warnt Theurer – und scheint ein bisschen stolz auf seine Wortkreation.

Der "digitale Tsunami": Es ist ein düsteres Szenario, das der Horber heraufbeschwört. "Das Bundesfinanzministerium hat Studien, offensichtlich unter Verschluss, aus denen hervorgeht, dass alleine in der Finanzbranche von 640.000 Arbeitsplätzen, 400.000 durch die Digitalisierung wegfallen könnten." Er könne in Gesprächen die Angst vor der Digitalisierung und den mit ihr einhergehenden Herausforderungen förmlich mit Händen greifen – trotz Vollbeschäftigung.

Aber die FDP könne Abhilfe schaffen, mehr digitale Kompetenz in den Bundestag bringen. "Wir wollen nicht nur Industrie 4.0. Wir wollen Handwerk 4.0, Regierung 4.0, Gesundheit 4.0 und Bildung 4.0", verspricht Theurer.

"Digital first – Bedenken second." Erst die Digitalisierung, danach kommen die Bedenken. Die Deutschen machten sich ohnehin zu viele Gedanken. Mehr Mut sei angesagt. "Angst ist kein guter Ratgeber. Deshalb ist unser Programm auch mit Absicht überschrieben mit dem denglischen Begriff ›German Mut‹", sagt Theurer. "German Mut", in Anlehnung an den im Angelsächsischen verbreiten Begriff der "German Angst" – dem grübelnden Deutschen.

Noch so ein Wortkonstrukt, das man eher bei dynamischen Jungunternehmern vermutet, als bei einer etablierten Partei, die seit Anbeginn der Bundesrepublik Politik in Bund und Land mitbestimmt.

Auch bei der Rente denkt die FDP an die Jungen: "Das, was die jetzige Regierung gemacht hat, war nicht nachhaltig. Ein Beispiel: das Rentenpaket. Eine Belastung der künftigen Generation in Höhe von 160 Milliarden Euro, das lässt sich nicht zurückdrehen", ärgert sich Theurer.

Die Rente sei nicht generationengerecht, nicht "enkel-fit". In der Rentenversicherung klaffe ein Loch von über 2 Milliarden Euro. Schuld daran sei auch das umlagefinanzierte Rentenmodell. Das "Baby von Schwarz-Rot", wie Theurer süffisant bemerkt. Die FDP habe immer das Drei-Säulen-Modell, bestehend aus staatlicher-, privater- und betrieblicher Vorsorge, präferiert. "Wir haben immer gesagt: Angesichts der älter werdenden Gesellschaft braucht man eine Stärkung der Betriebsrenten und der privaten Vorsorge", erklärt Theurer. Nur dann bekomme man auch raus, was man eingezahlt habe. Und ganz im Gegensatz zu den SPD-Versprechungen, das Rentenniveau stabil zu halten, wollten die Liberalen stabile Beiträge für die Beitragszahler garantieren. Dabei sei stets an den Grundsatz zu denken: "Erwirtschaften kommt immer vor Verteilen", sagt Theurer nahezu Mantra-artig.

Das mit dem "Erwirtschaften" funktioniert derzeit in Deutschland recht gut – auch trotz der Skandale in der Automobilindustrie. Diese habe sich in der Diesel-Affäre nicht mit Ruhm bekleckert. "In der ganzen Geschichte macht aber nicht nur die Autoindustrie keine gute Figur, sondern auch die Bundesregierung".

Der Dieselgipfel sei ein absoluter "Flop" gewesen. Die Ergebnisse hätten allenfalls Symbolcharakter. "Wir brauchen eine Zukunftsstrategie Auto. Diese Strategie beinhaltet aber mehr als nur Nachrüstung", sagt Theurer. und holt zum Rundumschlag aus: "Alle reden über die Umweltprobleme des Diesels. Keiner redet aber über die Umweltprobleme der Lithium-Ionen-Batterie." Wenn man also behaupte, mit der E-Mobilität seien alle Probleme gelöst, liege man falsch: "Mit der Verzichts- und Verbotsideologie der Grünen wird man nichts erreichen. Wir brauchen deshalb Fahrzeuge, die ökologisch sinnvoll sind, aber auch die Mobilitätsbedürfnisse der Kunden erfüllen."

Und diese Bedürfnisse seien eben andere, als gemeinhin von Politikern angenommen: "Es ist so: Die leichten emissionsarmen Autos werden den Händlern nicht vom Hof gerissen. Es sind doch spannenderweise die SUVs, Typ Cayenne, die die höchsten Verkaufszahlen haben". Eine Verengung auf eine Technologie sei auch deshalb nicht zielführend.

Digitalisierung, Renten, Dieselskandal. Alles Themen, die man mit dem möglichen Koalitionspartner CDU besprechen müsse. Aber eine eventuelle schwarz-gelbe Mehrheit bedeute nicht automatisch Schwarz-Gelb, sagt Theurer und wird deutlich: "Eine Koalition wird es nur geben, wenn sich der Partner in wesentlichen Punkten Inhaltlich bewegt." Es klingt ernsthaft. Anders ausgedrückt: Man verteilt das Fell des Bären nicht, bevor dieser erlegt ist.