Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag Katrin Göring-Eckardt (rechts) und Anton Hofreiter lauschen entspannt einer Debatte. Manchmal ging es beim Bundesparteitag der Grünen in Hamburg aber auch hitzig zu. Foto: dpa-Zentralbild

Die Grünen-Führung wollte Konflikte auf dem Parteitag in Hamburg vermeiden. Das ist ihr gelungen. Aber Kontroversen wurden eher verdeckt als ausgetragen.

Hamburg - Es war fast wie früher. Leidenschaftlich stritten die Grünen in Hamburg über Militäreinsätze, diesmal im Irak, über UN-Mandate, so wie früher über die Lage im Kosovo oder in Afghanistan. Von linken Pazifisten bis Super-Realos reichte das Spektrum, am Ende aber setzte sich die Parteiführung, bislang alles andere als unumstritten, auf ganzer Linie durch. Und nicht nur in dieser heiklen Frage. Die Chancen für die kommenden Wahlen sind nach der Enttäuschung im vergangenen September gestiegen, und die Bundestagwahl 2017 wurde klar in den Blick genommen. Sogar der Konflikt mit dem einzigen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann über die Asylpolitik wurde entschärft.

Allerdings hat der friedliche Parteitag in der Hansestadt seinen Preis: In nächtelanger Kleinarbeit wurden Anträge entschärft und Kompromisse formuliert - teils bis kurz vor der Abstimmung. So stimmte man gegen Waffenlieferungen in den Irak, aber dann kam doch der Satz: „Der Vormarsch der ISIS (kann) nicht ohne militärisches Eingreifen gestoppt werden.“ Widersprüche wurden nicht voll ausdiskutiert. Die Debatte gehe weiter, sagte auch Parteimanager Michael Kellner. In der Haltung zur Ukraine-Krise konnte der Bundesvorstand um Cem Özdemir und Simone Peter sowohl ukraine-kritische Anträge („Rechtsradikale in Kiew“) als auch Forderungen nach einem schärferen Kurs gegenüber Moskau abwehren.

„Mehr Biss. Grün“ - das war das Motto. Große Hoffnung setzt die Partei in das Thema Ernährung, Landwirtschaft und gutes, weil gesundes und sicheres Essen. Die Agrarwende soll die neue Energiewende werden, also das Alleinstellungsmerkmal der Grünen, das Wähler mobilisiert. In einer leidenschaftlichen Rede schlug Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter den Bogen vom genmanipulierten Soja und der Ausbeutung in Südamerika bis zur Klimapolitik und den Handelsabkommen TTIP und Ceta. Das Thema hat Potenzial: Massentierhaltung, Antibiotika im Hühnerstall und der Raubbau an der Natur sind Themen, die in Deutschland mobilisieren können. Und immerhin stellen die Grünen schon sechs Landwirtschaftsminister in den Ländern. Ein Sieger in Hamburg war auch der baden-württembergische Regierungschef Kretschmann. Er verteidigte sein Ja zum Asylkompromiss - und punktete an der Basis. Die Parteispitze wirkte nach dem Auftritt erleichtert, es kam nicht zum „Kretschmann-Bashing“, die große Abrechnung der Partei-Linken blieb aus.

Die Grünen setzen sich entschlossen von der SPD ab

Kretschmann ist eigentlich kein geborener Parteitags-Redner, der die Massen leicht begeistern könnte. Aber er profitierte in der Vergangenheit vom eher schwachen Erscheinungsbild der Partei- und Fraktionsführung in Berlin. Stark ist er auch, weil die Grünen wohl bald in acht Ländern mitregieren und Ländergrößen in der Partei zunehmend den Ton angeben - während die Grünen im Bundestag als kleinste Oppositionskraft um Gehör kämpfen.

Vielleicht am wichtigsten in Hamburg: Entschlossener als zuvor setzen sich die Grünen von der SPD ab. Deren Chef Sigmar Gabriel wird als Lakai der Kohleindustrie verhöhnt, der großen Koalition von Union und SPD Versagen beim Klimaschutz vorgeworfen. Vor allem aber ziehen die Grünen die Konsequenz aus den Umfragen: Für eine Neuauflage von Rot-Grün im Bund wird es wohl nicht reichen.

Auch das Thüringer Modell der Dreierkoalition mit den Linken dürfte 2017 bundesweit wenig Chancen haben. Also bleibt das Bündnis mit der Union, für das nicht nur die hessischen Grünen vehement werben. Was aber wird dann mit der Agrarwende und dem guten Essen? Dazu müssten CDU und vor allem CSU über ihren Schatten springen. Aber mit einer Kanzlerin, die ihrer Partei schon den Atomausstieg und die Abschaffung der Wehrpflicht zugemutet hat, scheint auch das nicht unmöglich.