FDP-Chef Westerwelle Quelle: Unbekannt

Die FDP hat in der von Parteichef Guido Westerwelle angestoßenen Sozialstaats-Debatte Zuspruch der Bürger erhalten und den Streit noch einmal angeheizt

Berlin - Die FDP hat in der von Parteichef Guido Westerwelle angestoßenen Sozialstaats-Debatte Zuspruch der Bürger erhalten und den Streit noch einmal angeheizt.

Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident und FDP-Vize Andreas Pinkwart sprach sich für ein strengeres Vorgehen gegen arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger aus. Aber auch in der Union wurden Forderungen nach mehr Sanktionen laut. Das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, stellte sich derweil gegen Vorwürfe, Arbeitslose würden zu selten Jobs annehmen.

In einer Umfrage stößt die Sozialstaats-Debatte bei den meisten Bürgern auf Zustimmung. Allerdings wird nach einer anderen Befragung die Arbeit von FDP-Chef Westerwelle überwiegend als schlecht bewertet.

Wie die "Bild"-Zeitung (Freitag) unter Berufung auf eine Infratest-dimap-Umfrage berichtet, finden fast drei Viertel der Befragten (72 Prozent) die Diskussion gut. Besonders groß ist der Zuspruch bei Erwerbstätigen (76 Prozent), nur 24 Prozent lehnen die Debatte als nicht gut ab. Nach einer anderen Infratest-dimap-Befragung (ARD-"Deutschland-Trend") legt die FDP in der Wählergunst zu.

Pinkwart sagte der "Rheinischen Post": "Wenn wir jetzt die Betreuung in den Jobcentern weiter verbessern, was wir ja vorhaben, dann müssen die Bezüge arbeitsfähiger Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit verweigern, auch konsequenter gekürzt werden." Nimmt ein Hartz-IV-Empfänger eine Arbeit nicht an, können die Leistungen für drei Monate um 30, beim zweiten Mal um 60 Prozent gekürzt werden.

Nach der Infratest-dimap-Umfrage für die ARD entschieden sich bei der Sonntagsfrage 10 Prozent für die Freidemokraten - im Vergleich zum "Deutschland-Trend" von Anfang Februar zwei Prozentpunkte mehr. CDU/CSU kommen auf 34 Prozent und verlieren damit zwei Punkte. Für die SPD entschieden sich bei der Umfrage 27 Prozent (plus ein Punkt), die Grünen kamen unverändert auf 15 Prozent, die Linke auf 10 Prozent (minus ein Punkt).

29 Prozent beurteilen Westerwelles Arbeit als "gut"

Allerdings denkt die überwiegende Mehrheit, die Diskussion über Sozialleistungen habe der FDP geschadet. Nur 20 Prozent denken, dass die Partei von der Debatte über die Hartz-IV-Sätze profitiert, 69 Prozent sind gegenteiliger Meinung, ergab der "Deutschland-Trend". Bei den FDP-Anhängern finden 64 Prozent, dass Westerwelles Rhetorik die eigene Partei lädiert - 34 Prozent sehen einen Nutzen. Nach einer "Emnid"-Umfrage für den Fernsehsender N24 beurteilten 29 Prozent der Befragten Westerwelles Arbeit als "gut" - im Januar waren es noch 41 Prozent.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte Sanktionen gegen Ausländer, die Sprach- oder Integrationskurse abbrechen oder gar nicht erst antreten wollen. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Bildung, Integration und guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb ist es völlig inakzeptabel, dass gut 20 Prozent der Ausländer den verpflichtenden Sprach- oder Integrationskurs abbrechen oder gar nicht erst antreten."

In die Debatte über Hartz IV hatte sich auch die internationale Wirtschaftsorganisation OECD eingeschaltet. Nach einer aktuellen Studie haben Langzeitarbeitslose in Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten wenig finanzielle Anreize, gering bezahlte Jobs aufzunehmen. Als Grund nannte die OECD hohe Sozialabgaben auch für Geringverdiener sowie die "unspezifische Förderung" von Minijobs. Die FDP sah sich durch die Studie bestätigt.

BA-Vorstandsmitglied Alt, der für die Grundsicherung zuständig ist, sagte dagegen in der "Thüringer Allgemeinen", die Menschen seien heute eher bereit, mit Lohneinbußen zu arbeiten oder einen Wohnortwechsel in Kauf zu nehmen. "(...) Etwas mehr als ein Viertel derer, die aus der Grundsicherung in Beschäftigung gehen, arbeiten unterhalb ihres Qualifikationsniveaus."

Kritik an Westerwelle kam am Freitag vom deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU): Der FDP-Chef laufe Gefahr, "mit seiner Zuspitzung die Sachthemen eher zu verdecken". Grünen-Parteichefin Claudia Roth schimpfte in einer Mitteilung: "Was die Westerwelle-FDP gegenwärtig bietet, ist ein Novum in der Bundesrepublik. Es ist offener Rechtspopulismus in Regierungsverantwortung."

(dpa)