Die Täter lieferten sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Foto: dpa

Ein 34-Jähriger aus Brandenburg steht in Stuttgart vor Gericht, weil er mit Komplizen in Ostfildern Schulden eintreiben wollte und sich auf der Flucht eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben soll.

Stuttgart/Ostfildern - Er macht keinen Pieps. Der Mann, der vor der 17. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und zur gefährlichen Körperverletzung steht, will weder zu seiner Vita noch zu den Vorwürfen etwas sagen.

Es ist der 21. Januar 2012. Der heute 34-jährige Angeklagte und zwei seiner Kumpel sind eigens aus Brandenburg angereist, um bei einem 26-Jährigen aus Ostfildern im Kreis Esslingen Schulden einzutreiben. Die Außenstände sollen aus einem Drogengeschäft stammen. Angeblich ist das Inkasso-Team von den Hells Angels geschickt worden.

Unter einem Vorwand wird der 26-jährige mutmaßlich säumige Schuldner von einem Bekannten in eine Garage nach Ostfildern-Nellingen gelockt. Dort macht das Opfer dann die Bekanntschaft der Herren aus Brandenburg.

Zwei damals 23 und 29 Jahre alte Burschen bedrohen das Opfer mit Messern. Sie malen dem Mann in schillernden Farben aus, was man mit den Schneidewerkzeugen so alles anstellen könne. Ein Täter schlägt dem 26-Jährigen mit einem Schlagring wuchtig gegen den Kopf. Das verängstigte Opfer händigt seinen Peinigern 1000 Euro und einen Klapprechner aus. Ihm gelingt schließlich die Flucht. Laut um Hilfe rufend stürzt der Mann aus der Garage.

Der jetzt Angeklagte sitzt im Fluchtauto. Mit dem Opel preschen die Täter davon. Erst jetzt wird es so richtig gefährlich, vor allem für Unbeteiligte. Denn was folgt, ist eine wilde Verfolgungsjagd von Nellingen bis nach Degerloch. Die Männer rammen einen Streifenwagen, der ihnen im Weg steht, und rasen innerorts mit zum Teil mehr als 100 Stundenkilometern Richtung Degerloch.

Sie missachten rote Ampeln, überholen entgegenkommende Autos und werfen immer wieder Gegenstände aus dem Wagen, um die ihnen folgenden Polizeifahrzeuge zu treffen. Und dies alles nicht etwa nachts, sondern am späten Nachmittag. Fußgänger müssen zur Seite springen, Autos ausweichen. Erst auf der Jahnstraße in Degerloch hat der Spuk ein Ende. Der Brandenburger Opel kracht frontal in einen BMW.

Drei der damaligen Täter sind bereits rechtskräftig verurteilt. Zwei Burschen wanderten für knapp fünf beziehungsweise knapp vier Jahre hinter Gitter. Der Mann, der das Opfer in den Hinterhalt gelockt hatte, kam mit einer Bewährungsstrafe davon, weil er an der Drangsalierung des 26-Jährigen und an der Verfolgungsjagd nicht beteiligt gewesen war.

Seit Dienstag steht nun also der 34-jährige Brunnenbauer aus der Lausitz sozusagen als Nachzügler vor dem Landgericht. Er ist lediglich der Beihilfe angeklagt, weil er vor der Garage im Auto gewartet hatte. Bei der waghalsigen Flucht vor der Polizei soll er nicht mehr am Steuer gesessen haben. Vor dem Prozessauftakt hatte die Strafkammer dem 34-Jährigen eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt – falls er ein Geständnis abzulegen bereit sei. Doch der Mann verlegt sich aufs Schweigen.

Bei früheren Vernehmungen hat er zugegeben, beim Ausflug von Brandenburg nach Nellingen mit von der Partie gewesen zu sein. Er sei nur mitgefahren, weil er die anderen Jungs kannte. „Die hatten was vor. Ich wusste aber nicht was“, so der 34-Jährige. Er habe damals aber mitbekommen, wie ein Mann aus der Garage gestürmt sei und laut um Hilfe gerufen habe.

„Schon das könnte man als Beihilfe interpretieren“, so die Vorsitzende Richterin. Schließlich sei der Angeklagte dann vor dem Fahrerwechsel am Steuer gesessen. Der Prozess wird am 25. April fortgesetzt.