Ein Mann hält seine Hand vor einen Verteilerpunkt, in dem zahlreiche Glasfaserkabel zusammenlaufen. In der Region Stuttgart hakt der Ausbau des schnellen Internets. Foto: dpa

Industrie- und Handwerksbetriebe der Region Stuttgart befürchten, dass der schleppende Breitband-Ausbau Umsatz und Arbeitsplätze kosten könnte. Doch wie sieht die digitale zukunft des Landes in der Praxis aus?

Stuttgart/Berlin - Wenn Klaus Melzer eine größere Datenmenge von einem Kunden erhält, ist es Zeit für eine Pause. „Bis die Datei von meinen Maschinen eingelesen ist, kann ich eine Tasse Kaffee trinken“, sagt der Inhaber der CNC Blechbearbeitung. Melzers Firma steht in Göppingen, im südlichsten Stadtteil Betzgenriet. Bis hierhin hat es das schnelle Internet noch nicht geschafft. Von rund einem Mbit Download in der Sekunde spricht Melzer. Damit kann man in einer Minute zum Beispiel zehn Fotos speichern. Das gerade für Firmen wichtige Hochladen der Daten dauert ein Vielfaches länger. „Ich würde meine Kunden gerne schneller und flexibler bedienen, leistungsfähige Maschinen habe ich ja – nur die Daten werden viel zu langsam übermittelt.“

Bis 2018 will die Bundesregierung das schnelle Internet auch in den letzten Winkel des Landes bringen – das bekräftigte sie auch am Mittwoch auf dem 9. Nationalen IT-Gipfel in Berlin, der die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben will. Die Übertragungszeiten für das Herunterladen von Daten sollen dann immerhin 50 Mbit betragen – damit können Verbraucher sogar locker Filme im neuen superhochauflösenden Ultra-HD-Standard sehen.

Der Breitbandausbau ist dabei das konkreteste und wohl auch ambitionierteste Projekt. Bundesregierung und Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft sprechen auch über die digitale Arbeitswelt, die Vernetzung der Industrie, Big Data, Sicherheitsfragen und eine schlankere Verwaltung. Wie beim Breitbandausbau liegen allerdings Absicht und Realität oft weit auseinander.

Langfristig sind auch Arbeitsplätze in Gefahr

„Der ländliche Raum und sogar Teile von Stuttgart sind oft unzureichend mit breitbandigen Internetanschlüssen versorgt“, kritisiert Markus Götz von der IHK Region Stuttgart. „Dabei hängen wirtschaftliches Wachstum und viele Arbeitsplätze heute von schnellen Internetanschlüssen ab.“ Gerade das Hochladen von Daten ins Internet dauere oft zu lange – doch gerade dies sei für Unternehmen wichtig, um innovative Webangebote und internetgebundene Dienstleistungen anzubieten, betont Götz.

Noch heftiger fällt die Kritik von Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold aus. „Wer schon heute keinen Anschluss ans schnelle Netz hat, ist abgehängt und muss um Aufträge und wirtschaftliches Überleben kämpfen. In der Fläche muss das Breitbandinternet viel schneller eingeführt werden. Nur so können wir unsere Arbeitsplätze langfristig sichern.“ Derzeit klagten etwa 40 Prozent der Handwerksbetriebe im Land über ein zu langsames Netz, so Reichhold. „Eine digitale Spaltung in Stadt und Land darf sich Baden-Württemberg nicht erlauben.“ Reichholds Wort hat Gewicht. Immerhin beschäftigt die Branche rund 700 000 Mitarbeiter im Südwesten.

250 Millionen Euro sollen bis 2018 im Land fließen

Die Landesregierung ist sich der Probleme bewusst. Vor allem in den ländlichen Regionen wie im Schwarzwald ist oft nicht einmal jeder zehnte Haushalt an das Breitband-internet mit 50 Mbit angeschlossen. Aber auch in der Region Stuttgart ist die Versorgung allenfalls zufriedenstellend. Eine Region, die mit vielen Weltmarktführern im Mittelstand ganz besonders auf ständige Innovationen angewiesen ist, treffen langsame Datenautobahnen besonders hart. Maschinen- und Automobilbau sind zunehmend vernetzt, zusätzliche Dienstleistungen werden über das Internet erwirtschaftet, und die Daten selbst werden zum Geschäftsmodell. Die Landesregierung hat kürzlich die Förderung für den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen deshalb massiv erhöht. Insgesamt 250 Millionen Euro sollen bis 2018 in den Breitbandausbau fließen. Allerdings schießt das Land selbst nur knapp 32 Millionen zu – den Rest übernimmt der Bund, unter anderem aus den Geldern der Versteigerung von Mobilfunklizenzen im Sommer dieses Jahres.

Die Bemühungen erkennt man auch bei der IHK Region Stuttgart an. Gleichzeitig fragt man sich, ob sie ausreichen werden. „Selbst 50 Mbit könnten in einigen Jahren schon wieder zu wenig sein“, sagt Götz. „Die Industrie der Zukunft ist künftig immer stärker vernetzt und benötigt immer höhere Übertragungsgeschwindigkeiten.“

Der Breitbandausbau erreicht jetzt auch Betzgenried

Bis dahin muss Melzer mit seiner Firma noch weiter improvisieren. „Ein Breitbandausbau wäre schon vor einigen Jahren nötig gewesen“, sagt er. Dennoch komme er zurecht, Kunden seien wegen des langsamen Internets noch nicht abgesprungen. Außerdem könne er schon die Bagger in Reichweite sehen – der Breitbandausbau habe jetzt wohl auch Betzgenried erreicht, frohlockt er. „Da ist etwas im Gange.“