Nach der Explosion bildet sich eine riesige Rauchwolke auf dem Gelände des Chemikonzerns BASF – die Löscharbeiten waren am Montagnachmittag noch in vollem Gang. Foto: AFP

Großalarm nach einem Unfall beim Chemiekonzern BASF: mindestens zwei Mitarbeiter kommen bei dem Unglück ums Leben, mehrere werden verletzt. Die Behörden haben keine Hinweise auf einen Terroranschlag.

Ludwigshafen - Eine gewaltige Explosion und Brände auf dem Gelände des Chemieriesen BASF haben Ludwigshafen erschüttert. Mindestens zwei Mitarbeiter sind dabei ums Leben gekommen. Nach Angaben des Ärztlichen Direktors der BASF, Stefan Lang, sind zudem sechs Personen schwer und mindestens eine Person leicht verletzt worden. Weitere Leichtverletzte hätten sich möglicherweise selbst in ärztliche Behandlung begeben. Die Lage sei noch sehr unübersichtlich und ändere sich von Minute zu Minute, sagte er am frühen Montagabend. Überdies würden zwei weitere Personen noch vermisst.

Es ist 11.20 Uhr, als ein ohrenbetäubender Knall die Stadt Ludwigshafen erschüttert. Nur wenige Sekunden später schießt im Nordhafen des Chemiekonzerns BASF, wo die Flüssigbrennstoffe verladen werden, eine weit über 100 Meter hohe Feuersäule in die Luft. Rasch hängt schwarzer Qualm über dem Werksgelände des Chemiekonzerns BASF. Die unheilvolle Wolke erinnert an die Bilder von einem Flugzeugabsturz und ist kilometerweit bis nach Heidelberg zu sehen. Es dauert nur wenige Minuten, bis die ersten Martinshörner der Ludwigshafener Werksfeuerwehr zu hören sind.

Warn-App informiert Anwohner

Der Ernst der Situation wird auch den Bürgern rasch klar. Über eine Warn-App rufen die Behörden alle Anwohner auf, schnellstens Fenster und Türen zu schließen. Auch Lüftungs- und Klimaanlagen müssten unbedingt abgeschaltet werden. Alle Straßen, die direkt an der BASF-Explosionsstelle vorbeiführen, werden gesperrt. Autofahrer werden aufgefordert, den kritischen Sektor in den Stadtteilen Oppau und Edigheim weiträumig zu umfahren. Es kommt zu ersten Geruchsbelästigungen und Sichtbehinderungen in den nördlichen Stadtteilen Ludwigshafens.

Schulen und Kindertagesstätten werden von der Stadt benachrichtigt, dass Kinder und Jugendliche zunächst in den Einrichtungen verbleiben sollen. Am Tor 11 richtet die BASF ein Informationszelt ein, auch ein Bürgertelefon wird geschaltet. Die Umweltexperten der Feuerwehr Mannheim kommen ihren Kollegen mit ihrem Umweltmesswagen sowie Erkundungsfahrzeugen zu Hilfe, denn die schwarze Rußwolke verdunkelt auch gegen 14 Uhr noch den Himmel über der Chemiestadt.

Das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt

Schnellmessungen zeigen jedoch weder in Ludwigshafen noch in der Nachbarstadt Mannheim einen Niederschlag von gesundheitsschädlichen Partikeln. Wassersperren zwischen dem Landeshafen Nord und dem Rhein sind errichtet. Gegen 16.30 Uhr bestätigt die Feuerwehr, die insgesamt rund 170 Mann im Einsatz hat: Der Brand ist unter Kontrolle, aber die Löscharbeiten werden sich noch bis tief in die Nacht hinziehen. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz sagt BASF-Werksleiter Uwe Liebelt: „Wir haben bisher keine genauen Kenntnisse, was explodiert ist.“

Der Chemieriese BASF wickelt an seinem Heimatstandort Ludwigshafen mehr als 40 Prozent des dortigen Güterumschlags über Binnenschiffe ab. Das Werksgelände in der rheinland-pfälzischen Stadt am Rhein ist nach Angaben des Unternehmens mit rund zehn Quadratkilometern Fläche das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt. Dort arbeiten mehr als 39 000 Beschäftigte, etwa ein Drittel aller BASF-Mitarbeiter weltweit. Insgesamt beschäftigte der Konzern Ende vergangenen Jahres mehr als 112 000 Mitarbeiter.

Folgen der Katastrophe sind noch völlig offen

Gegründet wurde das Unternehmen 1865 vom Leuchtgasfabrikanten Friedrich Engelhorn mit Partnern. Die Aktiengesellschaft „Badische Anilin- & Soda-Fabrik“, kurz BASF, sollte aus Steinkohlenteer synthetische Farbstoffe gewinnen. Es folgte der Aufstieg zum weltgrößten Chemiekonzern, mit einem Angebot von Chemikalien, Kunststoffen. Veredlungsprodukten über Pflanzenschutzmittel bis hin zu Öl und Gas.

Die Folgen von Explosion und Bränden sind völlig offen. „Der wirtschaftliche Schaden“, sagte der Werksleiter Liebelt, „ist nicht mein großes Problem heute.“

Chronologie der großen Chemiekatastrophen

Wenn Chemikalien aus Fabriken austreten, kann dies verheerende Folgen für die Mitarbeiter, die Bevölkerung und die Umwelt haben – wie einige Fälle aus der Vergangenheit zeigen. Eine Übersicht:

September 1921:
Bei einer Explosion in einem Ammoniak-Werk der BASF bei Ludwigshafen sterben 585 Menschen.

Juli 1948
: In der Nitrolack-Fabrik der BASF explodiert ein Kesselwagen. 200 Menschen kommen dabei ums Leben, 3800 werden verletzt.

Juli 1976
: In einer Tochterfirma des Schweizer Chemiekonzerns Hoffmann-La Roche entweicht hochgiftiges Dioxin. Hunderte Bewohner von Seveso bei Mailand werden in Sicherheit gebracht, viele von ihnen schwer vergiftet.

November 1979
: Ein mit Chemikalien beladener Güterzug entgleist und explodiert in Kanada bei Toronto. Rund 250 000 Menschen fliehen vor giftigen Gasen, verletzt wird allerdings niemand.

Dezember 1984
: Im indischen Bhopal treten in einer Fabrik des US-Konzerns Union Carbide mehrere Dutzend Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat aus. Rund 3000 Menschen sterben, etwa 170 000 werden verletzt.

November 1986:
Nach einem Feuer im Baseler Werk der Firma Sandoz fließen 20 Tonnen Gift in den Rhein. Hunderttausende Fische verenden.

Februar 1993
: Bei einem Betriebsunfall im Stammwerk des Hoechst-Konzerns in Frankfurt am Main entweichen rund zehn Tonnen eines zum Teil giftigen Chemikaliengemischs. Die „Wolken“ regnen über den umliegenden Wohngebieten ab.

September 2001
: In einer Düngemittel-Fabrik bei Toulouse in Südfrankreich gibt es eine schwere Explosion. 31 Menschen sterben, 2500 werden verletzt.

Oktober 2010:
Giftiger Bauxitschlamm aus einer Aluminiumhütte überschwemmt mehrere Dörfer in Ungarn. Dem Umweltdesaster fallen mindestens neun Menschen zum Opfer, rund 150 werden dabei verletzt.