Bei einer Tasse Kaffee erzählt Wolfgang Böhe Mitarbeiterin Gabi Lendle über seine Eindrücke vom Kinderflüchtlingsdorf Dharamsala in Nordindien, das er mehrfach besuchte. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Wolfgang Böhe engagiert sich für ein Kinderdorf in Tibet  / Mit Patenkind Geburtstag gefeiert / Begegnung mit dem Dalai Lama

Bräunlingen. Wolfgang Böhe war über 35 Jahre lang Lehrer an der Bräunlinger Schule. Jetzt engagiert er sich für Flüchtlingskinder aus Tibet. 

Sie reisen seit einigen Jahren nach Nordindien und waren in diesem Frühjahr erneut für einige Wochen dort. Was tun Sie dort? 

Ich war bereits zum dritten Mal in einem Kinderdorf in Dharamsala, in dem Flüchtlingskinder aus Tibet leben. Dort unterrichte ich Deutsch und bin mit den Kindern auch in der Freizeit zusammen. 

Wie sind Sie dazu gekommen? 

Bei einer Rundreise durch Indien im Jahr 2010 hat mich die in 2000 Meter Höhe liegende Stadt Dharamsala sehr interessiert, weil dort der Wohnsitz des Dalai Lama ist. Allerdings war das Wetter wegen des Monsuns sehr schlecht. Deshalb wollte ich unbedingt zu einem anderen Zeitpunkt den Ort nochmals aufsuchen. Durch den Kontakt zu Traudel Oberbeck aus Donaueschingen, die einen Vortrag über das dortige Kinderflüchtlingsdorf hielt und Patenschaften für die Kinder vermittelt, machte ich mich im Frühjahr 2012 zusammen mit ihr auf die Reise nach Dharamsala und besuchte für zwei Wochen das Kinderdorf. Ich war beeindruckt und ergriffen über die Schicksale der Kinder, die ich dort kennen gelernt habe. Ich habe die Patenschaft eines achtjährigen Mädchens übernommen, das mit anderen Flüchtlingskindern über das Gebirge kam.  

Was hat Sie an den Kindern so beeindruckt? 

Vor allem deren Schicksal. Die meisten sind ohne ihre Familie zu Fuß über das Gebirge geflohen. Dennoch sind sie fröhlich, wissbegierig, ausgeglichen, vertrauensvoll und glücklich darüber, dass sie zu essen und ein Dach über dem Kopf haben. Hier legt man großen Wert darauf, dass die Kinder lernen und vielseitig unterrichtet werden. Dabei wird ihre eigene Sprache und Kultur gefördert. 

Was lernen die Kinder in der Schule? 

Sie lernen Englisch, Mathematik, Geographie und auch alle anderen Fächer wie bei uns auch. Zudem werden sie in Länderkunde und tibetischer Kultur unterrichtet, damit die Kinder einen Bezug zu ihrer Heimat haben, obwohl sie diese nicht mehr wieder sehen werden. Sie machen ihren Schulabschluss und starten ins Berufsleben oder studieren, auch im Ausland. 

Haben alle Kinder Pateneltern? 

Die allermeisten haben weltweite Paten und Sponsoren, die ihnen ihre Ausbildung bezahlen und die Kinder fördern. Ich habe bereits einen festen Spenderkreis von 40 Personen und einem Verein, der die Flüchtlingskinder unterstützt. 

Mit welcher finanziellen Unterstützung kann man diesen Kindern weiter helfen? 

Ein monatlicher Betrag von 30 Euro ist ausreichend für die Ausbildung in der Schule und danach. Dieser Betrag entspricht einem Euro pro Tag. Ich habe inzwischen ein Spendenkonto eingerichtet und leite die finanzielle Hilfe direkt weiter.  

Referieren sie auch über ihre Eindrücke im Kinderdorf? 

Ich habe bereits an der Hüfinger Lucian-Reich-Schule über Kinder fremder Kulturen einen Bildvortrag gehalten und bin jederzeit bereit dies auch an anderen Schulen zu tun.  Wie oft besuchten Sie das Kinderdorf?  Das zweite Mal reiste ich im Herbst 2013 allein nach Dharamsala und blieb sechs Wochen dort. Und in diesem Jahr war ich den ganzen April und Mai im Kinderdorf. In dieser Zeit besuchte mich meine Tochter Melanie, die ebenso beeindruckt vom Kinderdorf war und viele Kontakte knüpfte.  

Wie leben Sie während ihres Aufenthaltes dort? 

Ich lebe im Dorf in einem Gästehaus unter ganz einfachen Bedingungen. Bei meiner ersten Reise hatte ich lediglich einen Eimer als Waschbecken, das zweite Mal war ein Waschbecken vorhanden, und in diesem Jahr durfte ich mich über eine einfache Dusche freuen. 

Vermissen Sie den deutschen Luxus dort? 

Nein, ich vermisse absolut nichts, gar nichts. Im Dorf ernährt man sich rein vegetarisch und ohne Alkohol. Auch das macht mir nichts aus, aber hin und wieder gönne ich mir einen Abstecher in ein einfaches Restaurant. 

Wie ist der Kontakt zu Ihrem Patenmädchen Nyima? 

Sie freut sich immer sehr, wenn ich komme. Wir pflegen unseren Kontakt ja auch per Briefwechsel übers Jahr. Von ihr erhalte ich selbst gemalte Bilder, ich schicke ihr Päckchen mit Kleinigkeiten wie Buntstiften oder bunten Zahnbürsten. Über Spiele und Kleidungsstücke freut sie sich ebenfalls riesig. Ihren elften Geburtstag feierten wir in einem nahe gelegen Dorf mit einem Pizza-Essen zusammen mit ihrer Freundin. Das ist hier schon etwas ganz Besonderes. Dazu musste ich vorher die Genehmigung von ihrer Hausmutter und der Schule einholen. Das Größte für die beiden war, dass ich sie außerdem zu einer Cola und einem Eis einlud.  

Hatten Sie während ihrer Aufenthalte einmal Gelegenheit, dem Dalai Lama zu begegnen? 

Ja, ich habe ihn bereits bei einem Vortrag gehört. Und in diesem Jahr kam er sogar mit Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu zu Besuch ins Kinderdorf und diskutierte mit den Oberstufen-Schülern.

Was hat Sie außerhalb des Kinderdorfes noch beeindruckt? 

Ich war in diesem Frühjahr das erste Mal in Begleitung eines bekannten Inders in einem Slum. Dort leben etwa 150 Inder in völliger Armut ohne Wasser und Strom. Ihr Lebensmut, ihre Fröhlichkeit und Aufgeschlossenheit mir gegenüber haben mich sehr berührt und ergriffen. 

u Fragen von Gabi Lendle

Wolfgang Böhe ist in Hüfingen geboren, 65 Jahre alt und Vater eines erwachsenen Sohns und einer Tochter. Er war sein ganzes Leben als Pädagoge an der Bräunlinger Schule tätig, davon 25 Jahre in der Hauptschule und über zehn Jahre in der Grundschule. Heute hilft der Ruhständler als 70-Stunden-Lehrer an der Hüfinger Lucian-Reich-Schule aus.

Zu seinen Hobbys gehören neben Reisen und Lesen vor allen Sport in der freien Natur. 20 Marathons ist Böhe bereits gelaufen, vorwiegend in Bräunlingen. Seit drei Jahren engagiert er sich stark für die tibetischen Flüchtlingskinder im Kinderdorf Dharasala in Nordindien.