Das Bohrloch mit den Schläuchen. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Wohl erfolgreiche Sanierung in Leonberg – 24 Häuser bei Erdwärmebohrung vor einem Jahr beschädigt.

Leonberg - Es sieht gut aus für die Opfer der Geothermiebohrung in Leonberg. Der bedrohliche Hohlraum in der Erde ist jetzt mit einer Zementmischung verfüllt worden. Was bleibt, ist die Furcht vor dem Wertverlust der Eigenheime.

Freitagvormittag in der Thomas-Mann-Straße in Leonberg-Eltingen. Hier ist im Juli 2011 die Erdwärmebohrung in einem Vorgarten gründlich schiefgelaufen. 24 Häuser wurden damals teils erheblich beschädigt. Auf der Fahrt nach Leonberg meldet ein Radiosprecher, dass heute die Sanierung des Bohrlochs beginnt. Ein Irrtum, wie sich wenig später herausstellt. Angefangen wurde bereits am Donnerstagmorgen, und alles geht viel schneller als erwartet: „Es sieht so aus, als sei die Sanierung erfolgreich“, sagt Jochen Weinbrecht, Geologe und Leiter des Amts für Wasserwirtschaft im Böblinger Landratsamt.

Die Erfolgsmeldung kommt durchaus überraschend. Bisher hatte es geheißen, die Sanierung würde 14 Tage, möglicherweise auch länger dauern. „Ja, die Sanierung ging erfreulich schnell“, sagt Klaus Kleinert, vereidigter Gutachter von der E. Vees und Partner Baugrundinstitut GmbH in Leinfelden-Echterdingen. Und: „Die wesentlichen und kritischen Schritte sind abgeschlossen.“

„Es gibt für eine Bohrlochsanierung kein Standardverfahren“

Bei der Erdwärmebohrung einer Renninger Firma vor einem Jahr waren zwei Grundwasserschichten miteinander verknüpft worden. Dadurch floss Wasser nach unten, Erde rutschte nach und umliegende Häuser sackten ab. Nach umfangreichen Untersuchungen – unter anderem wurden in der Thomas-Mann-Straße drei Grundwassermessstellen eingerichtet und die Dichte im Erdreich gemessen – wurde ein Hohlraum in 30 bis 40 Meter Tiefe geortet. Wie dieser gestopft wird, war lange offen. „Es gibt für eine Bohrlochsanierung kein Standardverfahren“, so Weinbrecht.

Ein sogenanntes Überbohren, also ein zweites tiefes Loch mit größerem Durchmesser als das erste, schien zu gefährlich zu sein. Es hätte, wenn dabei wieder Wasser abgeflossen wäre, unabsehbare Folgen für Häuser haben können. So hat die Firma, die den Schaden angerichtet hat, ein neues Verfahren entwickelt. Es scheint zu funktionieren.

39 Meter und 37,5 Meter weit unter der Erde ritzte das Messer den Schlauch von innen auf

Bei Geothermiebohrungen werden Sondenschläuche in die Erde eingeführt. Am Donnerstag wurde ein kleines Spezialmesser in einem der Schläuche im Vorgarten des Eltinger Hauses in die Tiefe gelassen. 39 Meter und 37,5 Meter weit unter der Erde ritzte das Messer den Schlauch von innen auf – ein minimalinvasiver Eingriff wie in der Chirurgie. Ein anderes Unternehmen spritzte dann eine Zementmischung durch die Schlitze und füllte so den Hohlraum.

„Es wurden nur 290 Liter Zementmischung verbraucht. Das ist erfreulich wenig“, sagt Kleinert. Der Hohlraum war also nicht sonderlich groß. Am Freitagmorgen hat das Spezialmesser dann noch in 32 und 27 Meter Tiefe den Schlauch aufgeritzt. Die Zementmischung blieb im Schlauch: „Das Bohrloch hat nichts mehr aufgenommen“, so Kleinert. Erste Kontrollmessungen hätten bereits ergeben, dass das Bohrloch zu ist. Befürchtet worden war, dass das Grundwasser die Verstopfungsmasse wegspült. Das ist nicht geschehen.

War’s das schon mit der von langer Hand vorbereiteten Sanierung? Nicht ganz. In der nächsten Woche soll noch in 22 und 17 Meter Tiefe versucht werden, die Zementmischung zu verpressen. Kleinert: „Wenn da kein Material oder nur wenig reingeht, ist die Sanierung erfolgreich abgeschlossen.“

Gebäude sind teils um mehrere Zentimeter abgesackt

Trifft diese Einschätzung zu und bleibt es im Untergrund ruhig, können die Opfer der Geothermiebohrung darangehen, ihre Häuser reparieren zu lassen. Die Gebäude sind teils um mehrere Zentimeter abgesackt. Tiefe Mauerrisse sind entstanden, Fliesen von den Wänden gefallen und Bodenbeläge gerissen. Ein Haus ist sogar einsturzgefährdet; es wird mit Balken abgestützt. Für die Beseitigung der Schäden stehen über die Versicherung der Renninger Firma drei Millionen Euro bereit. Wolfgang Schaal, der Sprecher der 32 betroffenen Eigentümer, geht davon aus, dass dieser Betrag reicht.

Mehr Sorgen bereitet ihm der „eklatante Wertverlust“ der Häuser. Selbst nicht beschädigte Eigenheime in diesem Eltinger Wohngebiet sind derzeit kaum verkäuflich. Schaal kennt einem Fall, bei dem ein Käufer den Notartermin platzen ließ, nachdem er von der Bohrung und ihren Folgen erfahren hatte. „Wir sind die unschuldig Geschädigten, uns muss jemand helfen“, forderte Schaal. Der Hilferuf richtet sich an das Land Baden-Württemberg.

Eine ähnliche Situation wie in Leonberg gibt es im Schorndorfer Gebiet Rainbrunnen, wo nach fehlerhafter Geothermiebohrung in diversen Häusern sowie in der Keplerschule Risse entstanden sind. Das Bohrloch wurde mittlerweile erfolgreich verfüllt. Die dortige Bohrfirma ist inzwischen allerdings insolvent. So sind die Aussichten für Baubürgermeister Andreas Stanicki und die betroffenen privaten Eigentümer eher gering, als Folge des laufenden Gerichtsverfahrens von jenem Unternehmen noch Geld für die Sanierung zu erhalten. Die Schule ist durch Stützpfeiler provisorisch gesichert.