Damals: Hermann Bantle erinnert sich an die 70er-Jahre / Dem Geist der Moderne getrotzt

Von Andreas Pfannes

Während in den Jahren nach der Jahrtausendwende die Bewahrung des Alten eine angemessene Wertschätzung erfährt, standen in den 70er-Jahren Freunde des Modernen höher in der Gunst des Zeitgeistes.

Bösingen. Wer sich damals zum Beispiel für die Erhaltung des Bösinger Pfarrhauses und der Pfarrscheuer einsetzte, hatte keinen leichten Stand. Hermann Bantle erinnert sich gut an diese Jahre nach der Gemeindereform. "Die Zeit war für Modernes. Sie war nicht reif für diese Dinge. Dabei waren Pfarrscheuer und Pfarrhaus ein schönes Ensemble."

Das Bösinger Urgestein denkt mit Wehmut an das Pfarrhaus, an einen klassischen Bau, ein fürstliches Haus mit Rundbogenfenstern und Gewölbekeller. Während im Süden der Pfarrer gewohnt hat, lebte im Norden seine Haushälterin. Anstoß für den Abriss sei eine Aussage des damaligen Pfarrers Hubert Schydlo gewesen. 1971 kam er nach Bösingen und sagte, ihm sei ein neues Pfarrhaus versprochen worden. In das alte sei er nicht eingezogen. Es wurde abgerissen und ein neues erstellt.

Laut Hermann Bantle, der im Oktober 1956 zusammen mit Hubert Bantle und Hilde Bantle das Unternehmen Gebrüder Bantle gegründet hatte, hätte das Pfarrhaus, das feucht war, saniert werden können. Die Vorschläge mit Dichtung nach unten und Fußbodenheizung sind bis heute in seinem Kopf.

Riesige Staubwolke

Auch der Abbruch der Bösinger Kirche von 1817, das Gotteshaus, in dem der 1928 Geborene getauft wurde, ging Hermann Bantle nahe. Als die Mauern zu Schutt zusammengefallen seien, sei die Staubwolke bis zum Herrenbühl gegangen. Die Mauern seien umgeknickt, erinnert sich der Bösinger Ehrenbürger, die Substanz der Kirche sei also nicht mehr gut gewesen, der Abriss keine Sünde.

Als aber der Rottweiler Stadtjugendring den Turm der Kirche haben und in die Neckarburg setzen wollte, machte der Bösinger Bürger mobil. Der Turm durfte die Gemeinde nicht verlassen. Der Idee, mit dem Turm die neugebaute Marienkapelle zu krönen, stimmte der damalige Bürgermeister Alfred Weiss zu. Dieses Gotteshaus gehört der Gemeinde und ist somit eine Besonderheit in der örtlichen Kirchengeschichte.

Ohne die beiden genannten Bösinger Bürger und Anton Bantle (Dunningen) sowie die Handwerker und Helfer aus Bösingen und Dunningen, die unentgeltlich gearbeitet haben, gäbe es die Marienkapelle nicht, ist sich Hermann Bantle sicher. Der Bürgermeister habe das Projekt "mit Nachdruck" im Gemeinderat vertreten.

Zur Kapelle hat Hermann Bantle bis heute eine besondere Beziehung. Er stiftete damals Baumaterialien, engagiert sich bis heute im "Förderkreis Marienkapelle" und hat den Schlüssel für das pittoreske Gotteshaus.

Gemeinderat für Abbruch

Erfolg hatte Bantles Einsatz für den Erhalt der Pfarrscheuer. Innerhalb eines Jahres war alles dingfest. Der Pfarrgemeinderat und ebenso Gemeinderäte befürworteten einen Abbruch. Dies war jedoch überhaupt keine Option für den langjährigen Bürgermeister-Stellvertreter Bantle.

Das Amt für Denkmalpflege und die Diözesanverwaltung Rottenburg erhielten Briefe. Der damalige Rottweiler Stadtarchivar Winfried Hecht wurde informiert. Am Donnerstag, 26. Januar 1978, kam es zu einem Ortstermin; die Weichen für den Erhalt eines in dieser Art in Süddeutschland einzigartigen, jedoch stark renovierungsbedürftigen Bauwerks aus dem Jahre 1858 wurden gestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister und Landratsamt habe gut funktioniert, erinnert sich Bantle. Franz Meckes, der damalige Leiter des Landesdenkmalamts, Außenstelle Freiburg, kommt in den Erinnerungen von Hermann Bantle bestens weg ("Wir sind ihm sehr zu Dank verpflichtet"). Anträge wurden gestellt. Das Gebäude wurde als Kulturdenkmal bewertet. Dabei war sein Zustand keineswegs gut. Ziegel seien vom Dach gefallen, die Straße Kirchwiesen musste gesperrt werden.

Verschiedene Arbeiten – Gipser, Zimmerer, Maler, Flaschner, Schreiner – wurden 1978 angepackt. Der Bewilligungsbescheid eines Zuschussantrags kam bald, am 21. April 1978, 32 450 Mark schwer. Den Rest hat Hermann Bantle selber finanziert, über die Höhe möchte er keine Angaben machen. Die Rechnungen hat er gesammelt und bis heute aufgehoben.

Verein 1979 gegründet

Später wurde noch der Boden in die Pfarrscheuer eingetragen. Damit das gesamte Projekt auf einem sicheren Fundament steht, der Heimatpflegeverein am 17. März 1979 in der "Sonne" gegründet. Als Vorsitzender amtierte mehr als 36 Jahre (bis Dezember 2015) der promovierte Jurist und Oberstaatsanwalt Jürgen Mansperger, Hermann Bantle war in dieser Zeit sein Stellvertreter. Die Satzung des Vereins sieht Erhalt und Ausbau der Pfarrscheuer vor, den Aufbau eines Bauernmuseums und die Pflege des heimischen Kulturguts.

Wer das Bauernmuseum Pfarrscheuer besucht – in den Sommermonaten und im November jeden ersten Sonntagnachmittag im Monat oder auf Anfrage bei Museumsleiter Mansperger oder bei der Vorsitzenden Bernadette Stritt möglich –, wird von einer einzig- und vielfältigen Auswahl an Exponaten überrascht und kann nicht leugnen, dass der Erhalt des Gebäudes und der Aufbau des Museums eine gute Sache waren.