Alfred Weiss schließt am 9. Januar das letzte Mal als Bürgermeister von Bösingen das Rathaus in Herrenzimmern ab. Foto: Pfannes Foto: Schwarzwälder-Bote

Alfred Weiss blickt mit Dankbarkeit auf seine 40-jährige Zeit als Bürgermeister von Bösingen und Herrenzimmern

Von Andreas Pfannes

Bösingen. Selten passt der Satz "Eine Ära endet" so punktgenau wie in knapp einer Woche. Dann, am Freitag, 9. Januar, geht Bösingens Bürgermeister Alfred Weiss mit 66 in den Ruhestand. Nach 40 Jahren. Die öffentliche Gemeinderatsitzung beginnt um 17.30 Uhr in der Bösinger Mehrzweckhalle.

Die jüngere Hälfte der Bürger von Bösingen und Herrenzimmern kennt keinen anderen Schultes als den gebürtigen Spaichinger, der Anfang Dezember 1974 das erste Mal gewählt wurde und im Januar 1975 sein Amt antrat, als den Mann, der die Geschicke der Einheitsgemeinde seither gelenkt hat. 40 Jahre. Eine Epoche. Es ist sicher nicht falsch, festzustellen, dass in heutigen Zeiten kaum ein Bürgermeister im Ländle mehr auf vier Wiederwahlen und eine solch’ lange und erfolgreiche Amtszeit blicken kann.

Natürlich wäre es möglich, all die Geschehnisse seit Bestehen der Einheitsgemeinde aufzulisten, doch dies verspricht lediglich für akribische Chronisten ergiebig zu werden (unabhängig davon, dass sicherlich die wichtigsten Beschlüsse und Taten am 9. Januar erwähnt werden). Vielmehr erscheint es an dieser Stelle interessanter, Alfred Weiss auf seinen Leitspruch, auf Tugenden und auf die große Linie anzusprechen. Der Leitspruch: "›Ein Blick ins Buch und zwei Blicke ins Leben, das wird dem Geist die richtige Mischung geben.‹ Dies sagte während der Ausbildung im Landratsamt Tuttlingen der damalige erste Landesbeamte Koschella. Und dieses Motto hat mir sehr geholfen. Die sechsjährige Lehrzeit war sehr stark praxisorientiert, nur ein Jahr davon war Studium auf der staatlichen Verwaltungsschule Haigerloch." Selbstmotivation: "Das ist nicht der passende Ausdruck. Ich war motiviert von außen her. Im positiven und im negativen Sinne. Wenn etwas nicht geklappt hat, habe ich es versucht, zum Klappen zu bringen. Das Negative stand klar im Hintergrund. Motivation gab es von den vielen positiven Erlebnissen." Positive Erlebnisse: "Keine Frage, Highlights waren die große Vorhaben. Sie waren ein Stück weit Leuchttürme. Im Alltag gab es viel Positives. Zum Beispiel, als mit der Kindergartenleiterin Frau Mauch Konzepte für die Kleinkindbetreuung entwickelt wurden. Oder als mit Architekten Probleme erst theoretisch besprochen und dann mit Leben erfüllt wurden. Das war das Positive. Wie schließlich die Kinder in der Kleinkindgruppe." Disziplin: "Die Arbeit hat sehr viel Freude gemacht. Disziplin habe ich gebraucht, wenn zum Beispiel in einer Woche abends viele Termine anstanden. Und dies gab es im Winterhalbjahr mit den vielen Veranstaltungen öfters." Verlässlichkeit: "Sie ist wichtig. Wenn man sie selber praktiziert hat, im Gemeinderat, bei Vereinen und bei Bürgern, dann bekommt man sie auch zurück." Pflichterfüllung: "Das habe ich so nicht verspürt. Die Freude am Geschäft war stärker als die Pflichterfüllung." Rhetorik: "Die habe ich ein Stück weit vom Vater geerbt. Sie war mir wichtig. Um zum Beispiel bei Generalversammlungen auf aktuelle Verhältnisse einzugehen. Je nach Anlass habe ich frei gesprochen oder bei wichtigen Dingen mich entsprechend vorbereitet. Zum Beispiel mit Zahlen. Die Reden konnte ich nicht auf dem Rathaus verfassen – da hat mich das Tagesgeschäft zu arg beeinflusst –, sondern am Abend daheim. Meine Frau hat mir wahnsinnig geholfen. Als gelernte Industriekauffrau und als ehemalige Chefsekretärin eines Schweizer Betriebs in Spaichingen konnte sie sehr gut Stenographie. Sie hat meine Reden mitstenographiert und dann auf der Schreibmaschine abgeschrieben." Aufgeschlossenheit: "Grundsätzlich ist sie da. Ich bin technikbegeistert seit meiner Kindheit. Mein Vater hatte schon 1948 ein Auto, auch ein Telefon hing damals im Elternhaus im Flur an der Wand. Ich habe als Kind meinen Vater im Büro immer wieder angerufen. Die Nummer weiß ich noch heute: 258. Es gab bei uns eine elektrische Eisenbahn und einen luftbereiften Roller. Damals nicht alltäglich. Aber all diese Sachen hatten auch eine Kehrseite. Im Elternhaus war das technische Know-how nicht vorhanden. War etwas kaputt, wurde zum Beispiel der Elektriker bestellt. Dies war irgendwann für mich Ansporn, selber reparieren zu wollen. So flickte ein Onkel den Reifen des Rollers und zeigte mir, wie man es macht. Das technische Verständnis hat mich interessiert. Und dies sind Punkte, die mir später viel Freude bereitet haben im Dienst: Eine Problematik, die vorhanden war, zusammen mit dem Architekten oder dem Ingenieur zu besprechen und dann sehen, wie es funktioniert." Humor: "Ich denke schon, dass er mir geholfen hat. Ich habe versucht, zu gegebener Zeit Ernsthaftigkeit in einem Gespräch durch Humor herauszunehmen und somit Verhandlungsspielraum zu schaffen, die Sache jedoch nicht ins Lächerliche zu ziehen. Im Gemeinderat ging es immer relativ gesittet zu. Das wundert mich heute noch, wenn ich an meine Anfangsjahre als Bürgermeister denke. Im Übergangsgemeinderat saßen 20 Leute, alle im Alter um die 50, und ich war gerade 26 Jahre alt, sie hätten alle meine Väter sein können. Mit welcher Hochachtung sie mir begegnet sind, war fantastisch. Ich war von Anfang an der Herr Bürgermeister.

Ich habe vor den Gemeinderäten eine große Hochachtung, welch ehrenamtlich tolle Leistung sie erbringen. Ich habe auch nie einen Gemeinderat geduzt und es genossen, wenn beidseitig ein gewisser Respekt vorhanden war." Glauben: "Ich bin christlich erzogen worden und gehe – es hat nur wenige Ausnahmen gegeben – jeden Sonntag in die Kirche. Ich habe versucht, mein Amt nach christlichen Grundsätzen zu führen, und dem, der kommt und ein Problem hat, zu helfen. Ich habe immer versucht, zur Amtskirche guten Kontakt zu halten." Die "neuen" Tugenden (wie stete Eloquenz und das Produzieren von "heißer Luft"): "Man muss immer prüfen, ob das Neue zu meinem Problem passt oder hinderlich ist. Und man sollte es nutzen, wenn es bei meinem Problem hilft. Egal, ob es mir persönlich gefällt." Seelische Narben: "Ich habe keine. Zum Glück vergisst der Mensch negative Dinge leichter als positive. Und ich habe eine absolut positive Lebenseinstellung. Ich sage: "Strich drunter" und blicke in die Zukunft." Schwerpunkte in jeder der fünf Amtsperioden: "Die gab es nicht. Es ging immer ineinander über, war jahrelang eine Weiterentwicklung, hervorgerufen durch ein immenses Wachstum. Eins folgte auf das andere. Die Bevölkerungszahl ist von 2500 auf 3500 gestiegen. Man hatte nie Zeit gehabt, sich zurückzulehnen. Fertig ist man nie."

Alfred Weiss spricht über beide Kläranlagen, den Rathausbau in Herrenzimmern, den Kindergartenbau in Bösingen, die Erschließung von Baugebieten, über die Halle in Bösingen und in Herrenzimmern. "Meine Maxime war immer: In beiden Ortschaften wohnen gleich viel Leute, und die haben die gleichen Bedürfnisse." Wichtige Personen: "Wichtig waren meine ersten Stellvertreter in beiden Ortsteilen, Hermann Bantle, der bereits im Bösinger Altgemeinderat war, und Viktor Müller, der das erste Mal 1975 gewählt wurde. Sie waren Multiplikatoren innerhalb der Gemeinde. Sie haben viel dazu beigetragen, dass es relativ ruhig zwischen beiden Ortsteilen war. Nur ein Beispiel: In Bösingen gab es damals keine Halle. So konnten die Bösinger Musiker die Halle in Herrenzimmern nutzen und hatten dort ihr Doppelkonzert. Oder das Schwimmbad. Müsse das sein, hieß es in Herrenzimmern. Ja, weil auch die Herrenzimmerner Kinder zum Schwimmen nach Bösingen gehen."

Alfred Weiss vergisst keinesfalls, die Mitarbeiter im Rathaus, Herrn Jetter und auch Herrn Hardtmann, zu erwähnen ("Ohne sie hätte ich keine fünf Perioden gemacht"). Und er spricht die Altbürgermeister Hattler und Bantle an, die in den ersten Jahren, bis sie altershalber ausgeschieden sind, im Bereich Bürgerbüro geholfen und zur Entlastung beigetragen haben. Besonders schätzte er an ihnen, dass sie "nie reingeschwätzt" haben. Dann wurde die Stelle ausgeschrieben. "Zu meinem Glück und zu meiner Zufriedenheit – fachlich und menschlich – kam Herr Jetter." Wann haben Sie sich gedanklich auf Ihren Abschied vorbereitet? "Im Prinzip schon vor der letzten Wahl. Damals war ich vier Perioden im Amt und habe mir es lange überlegt. Gemeinderäte haben gesagt, ich solle weitermachen. Ich habe gebeten, dies nach außen kundzutun, die Bevölkerung einzubinden. Die Resonanz war überwältigend. Bei der Wahl habe ich mehr als 95 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von über 50 Prozent erhalten. Mehr kann man nicht erwarten. Und: Damals kam neu vom Gesetzgeber die Möglichkeit, unter der Zeit aufhören zu dürfen. Heute bin ich froh und dankbar, dass ich die gesamte Periode machen konnte." Hobbys: "Ein Segelboot auf dem Bodensee, ein 5er-BMW im ersten Wahlkampf: Was will der Snob auf dem Dorf? Doch ich wurde trotzdem gewählt, man hat mir nie deswegen eine Vorhaltung gemacht. Ich konnte mir die Hobbys all die Jahre bewahren. Und sie brachten die nötige Entspannung. Wenn ich im Sommer mit dem Cabrio ins Rathaus gefahren bin, kam ich gut gestimmt an. Außerdem fahre ich gerne Fahrrad. Ein altes Motorrad habe ich noch und einen Garten. Und 2014 haben wir uns ein Wohnmobil gekauft und werden – das Handy ist dann nicht mehr an – auf Reisen gehen."