Das kürzlich geborene Kälbchen ist noch schwach auf den Beinen. Lorenz Maier hat geholfen, es auf die Welt zu bringen. Foto: Cools

21-jähriger Landwirt Lorenz Maier erzählt, warum er trotz der harten Arbeit nie den Beruf wechseln würde

Bösingen - Einen Huf vor den anderen – mit unsicheren Schritten stakst das wenige Tage alte Kalb über den heubedeckten Boden seines Stalls. Die langen dünnen Beine können es kaum tragen. Der erste Schritt auf Asphalt ist schwierig, doch der Wille nach Freiheit und Toben ist größer als der Kraftaufwand.

"Gut, Mockele", lobt Lorenz Maier das Kalb, das nun immer sicherer wird. Es wagt einen Sprung, stößt mit dem Kopf vorwitzig gegen Lorenz’ Bauch – um an Milch zu kommen, wie er erklärt. Für solche Momente lebt der junge Landwirt. Sie sind einer der Gründe, warum er sich nie einen anderen Beruf vorstellen könnte.

Lorenz ist erst 21 Jahre alt und hat doch schon mehr auf die Welt kommen und sterben sehen als andere in seinem Alter. Leben und Tod sind auf dem Bauernhof allgegenwärtig. Hinzu kommt die harte körperliche Arbeit zu jeder Witterung und zu Zeiten, die mancher als unchristlich bezeichnen könnte.

Keine Illusionen

Schwer nachvollziehbar, dass ein junger Mensch noch den Beruf des Landwirts ergreift. Doch eigentlich hat Lorenz schon in der Realschule gewusst, dass er eines Tages die Nachfolge seines Vaters auf dem Hof in Bösingen antreten wird. Er kennt die Arbeit von Kleinauf, hat die erste Geburt mit zehn Jahren miterlebt und macht sich keine Illusionen darüber, wie hart der Job sein kann.

In der Jugend versuchte er sich trotzdem alternativ als Schreiner- und Zimmermann-Praktikant. "Es musste etwas Handwerkliches sein, das hat mir auch Spaß gemacht. Aber schnell kehrte auch die Routine ein", meint er.

In der Landwirtschaft aber sei kein Tag wie der andere – Fluch und Segen zugleich. So gibt es theoretisch keine festen Arbeitszeiten, auch wenn feste Fütterungszeiten bei den Kühen für eine bessere Milchleistung sorgen. "Das sind Gewohnheitstiere", weiß Lorenz. Neben der täglichen Stallarbeit fallen auch andere Aufgaben auf dem heimischen Hof an. So baut er mit seinem Vater gerade an einem neuen Stall, der im Mai fertig werden soll.

Auch die Außenwirtschaft ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. "Im Sommer muss ich ernten, mähen, düngen und hacken. Das geht alles vor, weil es termingebunden ist", erklärt Lorenz. Außerdem müsse man die Tiere pflegen. Instandsetzungen am Gebäude oder ungeplante Reparaturen fallen auch immer wieder an, und die müssten dann um die Hofarbeit herum geplant werden. "Es gibt Tage, da geht irgendetwas im Stall kaputt und man kriegt nichts von dem erledigt, was man machen wollte", erklärt der 21-Jährige.

Außerdem ist der Tag – auch wenn Lorenz oftmals bis zu zwölf Stunden arbeitet – nun mal begrenzt. "Etwas bleibt leider immer auf der Strecke", weiß er. Trotzdem schätzt der junge Landwirt, dass er sich die Arbeit einteilen und seine Aufgaben selbst gestalten kann. "Theoretisch habe ich zu meinem Vater ein Angestelltenverhältnis, aber in fünf Jahren wird der Hof an mich übergeben. Ich treffe schon lange meine eigenen Entscheidungen", spricht er aus Erfahrung.

Beste Zeit im Allgäu

Hinter ihm liegen drei Jahre Lehre, in denen er auf verschiedenen Höfen tätig war, unter anderem auch in Bremen. Dort hat es ihm nicht gefallen. "Die Mentalität hat einfach nicht gepasst. Im Süden sind wir kleinstrukturierter und machen mehr selber", erklärt er den Unterschied. Um einiges schöner war es da im Allgäu. "Das war die schönste Zeit in meinem Leben. Ich hatte kein Heimweh", schwärmt Lorenz.

Alles über die wirtschaftlichen Faktoren mit Mitarbeiterführung, Management und mehr hat er bei seiner zweijährigen Techniker-Ausbildung gelernt. Jetzt fühlt er sich auch dazu im Stande, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Mittlerweile arbeitet er auf dem heimischen Hof. Derzeit stellt die Familie auf Bio um – neben den Stallumbauten eine weitere Mammutaufgabe.

Außerdem fordert der Job auch seine Opfer. Für zeitintensive Hobbys wie Fußball bleibt keine Zeit. Zudem begegnet ihm häufig Unverständnis. Inzwischen engagiert er sich im örtlichen Gesangsverein, wo auch sein Vater aktiv ist. "Die Kameraden haben Verständnis, wenn man mal wenig Schlaf wegstecken muss und abgearbeitet oder zu spät zur Probe kommt", sagt Lorenz.

Hinzu kommt bei ihm, dass er an einer extremen Überdehnbarkeit seiner Bänder leidet und die ständige Belastung der Handgelenke Schmerzen auslöst. Deshalb muss er seine Aufgaben auf dem Hof abwechseln.

Emotionen sind im Spiel

Ein ganz zentrales Thema ist das Wirtschaften mit den Tieren. 50 der insgesamt rund 120 Tiere sind Milchkühe. Ein Viertel dieser müsse man jedes Jahr aussortieren aufgrund schlechter Milchleistung, Klauengesundheit oder Fruchtbarkeit. Dabei handle es sich oft um die älteren Tiere, die durch eigene Jungtiere ersetzt würden.

"Wir sind bei aller Emotionalität nun mal ein wirtschaftlicher Betrieb, und ich kann die Alttiere nicht ewig hier behalten. Es wäre Tierquälerei, die Kühe im Betrieb an Altersschwäche sterben zu lassen, auch wenn manche Tierschützer das anders sehen – und unwirtschaftlich wäre es auch", weiß er.

Aber natürlich falle es ihm schwer, wenn er eine Kuh habe aufwachsen sehen. Da seien durchaus Emotionen im Spiel. So auch, wenn eine Geburt mal nicht glatt läuft. "Besonders bei den Kälbern ist es schlimm, wenn sie sterben. Das nimmt mich jedes Mal mit und man macht sich Vorwürfe", gibt Lorenz zu.

Das Schöne überwiegt

Wenn es auch viele traurige Momente auf dem Hof gibt, so überwiegen für den jungen Landwirt die guten, beispielsweise wenn ein Kalb gesund auf die Welt kommt. "Das ist jedes Mal wie ein Wunder". Zudem liebt er den Stallgeruch, den mancher als Gestank bezeichnen könnte. Jetzt ist Winter und die Außenwirtschaft ruht größtenteils, doch im Stall ist immer Betrieb. "Der schöne Tierbestand erfüllt mich jedes Mal mit Stolz", drückt er seine Empfindungen aus.

Wenn der junge Landwirt dann im Frühling mit dem Traktor auf seine Felder fährt und ihm der Duft von frisch gemähtem Gras in die Nase steigt, dann kann er sich trotz der harten Arbeit, für die er oft auch Opfer bringen muss, wahrhaftig kein besseres Leben vorstellen.