Das "Hestri" schließt nach Gründonnerstag. Foto: Hölsch

Kaufhaus ab Karfreitag Vergangenheit. Seit Jahren kämpft Ladenbesitzerin Anneliese Keller mit Schließung.

Bösingen - Anneliese Keller hat am Gründonnerstag ihr Kaufhaus Hestri in der Bösinger Ortsmitte zum letzten Mal geöffnet.

Seit Jahren kämpft die Ladenbesitzerin und Geschäftsfrau Anneliese Keller mit der Schließung ihres Kaufhauses. Es habe sich schon lange nicht mehr gelohnt. Jetzt sei es soweit, sagte sie. Und dies tut ihr bis in die Seele weh.

Mit viel Herzblut betrieb sie ihr Geschäft, denn sie wollte, dass die Menschen in Bösingen mit Lebensmitteln gut versorgt werden. In dem Geschäft mit etwa 120 Quadratmetern gab es nahezu alles: Lebensmittel, Getränkemarkt, Weine, Backwaren, Wasch- und Putzmittel, reichhaltiges Konservensortiment, Obst, Gemüse und gute Kartoffeln aus der heimischen Gegend. Außerdem Schreibwaren, Reißnägel, Weihwasserpinsel, Mäusefallen und so manches für die Hausmetzgerei. Es hieß nicht umsonst "Kaufhaus Hestri".

Die Schule in unmittelbarer Nähe, alte Menschen und Menschen, die keinen Führerschein oder kein Auto hatten, sowie Vereine waren ihre Kunden. Alle waren darüber dankbar. Vor Jahren noch wurde viel in der Schulküche gekocht, die Zutaten wurden im "Hestri" eingekauft. Heute dagegen sehr wenig, denn die Schülerzahl nahm deutlich ab.

Die Umsätze gingen sehr zurück. Dazu komme noch, so Anneliese Keller, dass ihre Einkaufskosten zu hoch seien; die Geschäftsfrau musste große Gebinde abnehmen, obwohl nur ein kleiner Teil davon von der Kundschaft verlangt worden sei. Aber sie musste diese Waren vorrätig haben, den Kunden zuliebe.

Am Nikolaustag 1962

Die Geschichte des Kaufhauses Hestri in der Bösinger Dorfmitte begann mit dem Gründer Heinrich Stritt. Er gab dem Haus, das am Nikolaustag 1962 eröffnet wurde, den Namen "Hestri". Schon als junges Mädchen war Anneliese Keller, geborene Stritt, dabei. Nach der Hauptschule ging sie auf die Wirtschaftsschule und erlernte den Kaufmannsberuf. Seit 1984 führt Anneliese Keller mit Herzblut und Leidenschaft das "Hestri".

Ihre Schwester, Edeltraud Wagner, war bei ihr von der ersten Stunde an. Annelieses Ehemann Meinrad und ihre zwei Söhne, Matthias und Stefan, halfen, wo es ging, kräftig mit. Es war ein Familienbetrieb.

Da die Post im Dezember 1996 ihre Zweigstelle im Rathaus in Bösingen aufgab, suchte die Gemeindeverwaltung nach einer Lösung. Anneliese Keller erbarmte sich und übernahm am 5. Februar 1997 die Postagentur, die im "Hestri" von Marlies Kopf bestens geführt wurde. Auch während der üblichen Einkaufszeit "Hestri" konnten die Bürger ihre Postangelegenheiten erledigen. Als der Postvertrag auslief, sollte Anneliese Keller unter schlechteren Bedingungen einen neuen Postvertrag unterschreiben; dies lehnte sie ab. So wurde die Postfiliale in Eigenbetrieb der Deutschen Post AG mit anderen Öffnungszeiten eingerichtet.

Doch das "Hestri" war nicht nur ein Kaufhaus, sondern auch Gelegenheit für die Bösinger, sich zu unterhalten und Neuigkeiten auszutauschen. Mit viel Wehmut und schweren Herzen verabschieden sich am 13. April Anneliese Keller und Edeltraud Wagner und bedanken sich bei ihren treuen Kunden. Bösingen wird um eine Versorgungs- und Kommunikationsstätte ärmer.