Um sie geht es wieder einmal, die Bösinger Grund- und Werkrealschule. Foto: Hölsch

Besorgte Eltern und immer noch kein Rektor: Zukunft steht wegen sinkender Schülerzahlen auf dem Spiel.

Bösingen - Neues Jahr, neuer Bürgermeister und ein altes Problem in neuer Form: Für Johannes Blepp gerät der Einstieg als Ortsoberhaupt der Gemeinde Bösingen gleich zu einer Herausforderung, als über den Erhalt der Werkrealschule und jahrgangsübergreifende Grundschulklassen gesprochen werden muss.

Das Ratszimmer in Bösingen ist sehr gut besucht. Mehr als 30 Zuschauer verfolgen den kommunalpolitischen Einstand von Johannes Blepp. Doch das Hauptinteresse der Mehrheit gilt nicht dem neuen Bürgermeister, sondern der Frage, wie es mit der Schule in Bösingen und Herrenzimmern weitergeht. Kurz vorneweg: Entscheidungen fallen an diesem Abend nahezu keine. Das Thema Schule bleibt weiter brisant.

Problem eins: Zuvörderst sinkende Schülerzahlen. Deshalb hat die Gemeinde vom Schulamt Donaueschingen einen schriftlichen Hinweis erhalten, dass die Zukunft der Werkrealschule auf dem Spiel stehe, wenn die vom Schulgesetz geforderte Mindestschülerzahl von 16 in der Eingangsklasse zwei Jahre hintereinander nicht erreicht werde. Derzeit gehen acht Schüler in Klassenstufe fünf und zehn in Klassenstufe sechs.

Somit benötigt die Werkrealschule Bösingen mindestens acht neue Schüler im Schuljahr 2015/16. Johannes Blepp regt Werbemaßnahmen an, Briefe an Eltern von Viertklässlern und einen Schnuppertag, um die Vorzüge einer überschaubaren Schule mit Standortvorteilen wie Lehrschwimmbecken oder Sporthalle darzustellen.

Auch wird festgehalten, dass eine Kooperation mit der Werkrealschule Villingendorf im Gemeindeverwaltungsverband Villingendorf, dem Bösingen und Villingendorf angehören, nicht aus den Augen verloren gehen dürfe, wie vor allem Rainer Hezel betont.

Bisherige Gespräche mit Rektor Rainer Kropp-Kurta, der gleichzeitig kommissarischer Schulleiter von Bösingen ist, haben die Botschaft transportiert, dass Kropp-Kurta eine Kooperation kritisch sehe. Auch mit Blick auf Busfahrzeiten von Schülern aus Dietingen, die sich dann, wenn sie nach Bösingen müssten, möglicherweise nicht mehr für die Werkrealschule Villingendorf entscheiden würden. Ob die Kinder allerdings fünf Minuten länger fahren, könne nicht der entscheidende Faktor sein, ist sich Rainer Hezel sicher. Es gibt aber auch Eltern von Schülern, weiß Gudrun Müller, die wegen den unterschiedlichen Kindern, die es mittlerweile in Villingendorf gäbe, eine kleinere Werkrealschule vorziehen würden.

Neuer Rektor fängt frühestens im April an

Problem zwei: Der Rektor von Bösingen – oder besser gesagt: die immer noch nicht besetzte Stelle. Mittlerweile heißt es, er (Beworben hat sich bereits Anfang des Sommers 2014 ein Lehrer der Villingendorfer Werkrealschule) komme frühestens Anfang April, spätestens im Juni, teilt Johannes Blepp mit. Der Bürgermeister sagt aber auch – mit Blick auf das sehr lange Prozedere der Kandidatenkür durch die Behörden und demzufolge sehr kritischer Stimmen im Gemeinderat und der Bevölkerung –, dass er ein positives Bauchgefühl habe, nachdem er mit der neuen Chefin des Schulamts in Donaueschingen, Sabine Rösner, gesprochen habe.

Dennoch: Bernadette Stritt regt an, dass auch Eltern ein Zeichen Richtung Behörde setzen und ihrer Sorge entsprechend Ausdruck verleihen sollten. Mit der neuen Schulleitung hängt das weitere Vorgehen ab. Problem drei: Jahrgangsübergreifende Klassen in der Grundschule. Dieser Punkt hat seit einigen Tagen die Stimmung in der Gemeinde verändert. Vor allem Eltern sind besorgt. Zum Teil massiv. Und dies wurde nicht besser, nachdem vor einer Woche der Schulausschuss nichtöffentlich mit Gemeinderäten, Eltern, Lehrern und Rainer Kropp-Kurta getagt hat. Es geht um die Einführung von gemeinsamen Klassen eins/zwei und drei/vier. Eine entsprechende Entscheidung trifft jedoch nicht der Gemeinderat, sondern ist Sache der Lehrerkonferenz.

Während die eine Seite der Eltern im Ratszimmer Befürchtungen äußert, dieses System sei nicht gut für schwächere und auch nicht für bessere Schüler – sie hätten von Eltern bisher nichts Positives gehört, nur die Sicht der Lehrer –, gibt die andere Seite der Eltern, die zahlenmäßig kleinere, eine differenziertere Sichtweise wieder. Es wird angeregt, den Eltern ihre Ängste zu nehmen und sie ausführlich zu informieren, aber auch darauf zu achten, dass es genügend Teilerstunden geben solle für Erst- und für Zweitklässler. Generell gelte – System hin, System her –, dass der Lernerfolg von der Persönlichkeit des Pädagogen abhänge, so Bernadette Stritt.

Doch der Komplex "Jahrgangsübergriff" hat eine weiterführende Dimension. Problem vier: Der Schulstandort Bösingen ist in Gefahr. Das klingt erst einmal deftig. Aber: Die Bösinger Schule hat zwei Standorte und sinkende Schülerzahlen. Die Rede ist in Bösingen im Schuljahr 2015/ 16 von bis zu 18 Erst- und zehn Zweitklässlern und in Herrenzimmern von 20 Erst- und 13 Zweitklässlern. Als Vorteile der kombinierten Klassen werden ein kleinerer Klassenteiler (26 statt 29 bei Regelklassen) und eine bessere Lehrerausstattung genannt.

Für Bernadette Stritt, aber nicht nur für sie, steht eine "sehr schwierige Entscheidung" an, ist ein "Klassenübergriff unausweichlich". Sonst drohe die Gefahr, einen Standort schließen zu müssen. Ist dies der kleinere und ältere, also Herrenzimmern, könnten Eltern sagen, dann schicken wir unsere Kinder eben nicht nach Bösingen, sondern nach Villingendorf. Und dann fehlen dem Standort Bösingen Schüler.

Gemeinderat plädiert für jahrgangsübergreifende Klassen

Gotthard Mei berichtet, dass in Neukirch nach anfänglicher Skepsis der sogenannte Jahrgangsübergriff seit 14 Jahren "mit großem Erfolg" praktiziert werde. Josef Seifried erinnert, dass Rainer Kropp-Kurta vor einer Woche sich für die Grundschule an beiden Standorten ausgesprochen habe. Und er merkt an, dass beim "Jahrgangsübergriff" die jüngeren von den älteren Schülern unterstützt würden. Rainer Hezel findet, dass kleine Schüler in einer großen Schule leichter "untergehen" könnten. Wie geht es weiter? Eine Entscheidung fällt nicht. Bösingen wartet auf den neuen Rektor, damit das Lehrerkollegium ein Konzept – in jeder Hinsicht – ausarbeiten kann. Für Bernadette Stritt sind die Schülerzahlen der kommenden sechs Jahre interessant. Generell plädieren Gemeinderäte für beide Standorte und für jahrgangsübergreifende Klassen.

Was macht Mut? Vor allem die klare Ansage des Bürgermeisters und des Gemeinderats, den Gesamtstandort Bösingen zu stärken. Deshalb beschließt das Gremium einstimmig, eine Halbtagesstelle für eine schulpädagogische Kraft ab dem Schuljahr 2015/16 zu schaffen. Anteilig entfallen im Jahr 2015 Kosten von 7575 Euro an. Der Rest werde über Zuschüsse vom Land und vom Kreis finanziert. Angestellt werden soll diese Kraft über die Stiftung Lernen-Fördern-Arbeiten (Rottweil). Die Kosten pro Jahr betragen 27.500 Euro. Diese Fachkraft dient der Stärkung der Schulsozialarbeit und der Ganztagesbetreuung, die Bösingen anpacken will.

Da im 2015er-Gemeindehaushalt 22.000 Euro bereitstehen, hat die Gemeinde Spielraum, um Lernmittel für den "Jahrgangsübergriff" zu finanzieren. Dies soll aber erst nach der Vorstellung obigen Konzepts erfolgen. Rainer Hezel: "Wir brauchen etwas Handfestes".

Am Rande: Wohltuend

Andreas Pfannes

Kommunalpolitisch wird es in der Gemeinde Bösingen auch mit dem neuen Bürgermeister Johannes Blepp garantiert nicht langweilig. Die Zukunft der Werkrealschule und die vom Gemeinderat favorisierte Einführung von jahrgangsübergreifenden Grundschulklassen sorgen im kalten Winter für eine hitzige Stimmung.

Vor allem bei besorgten Eltern, die zuerst das Wohl ihres Nachwuchses im Auge haben und bisher vom Hörensagen wenig Gutes über das neue Grundschulklassenmodell erfahren haben wollen. Ein Modell, das nur die Lehrer beschließen können, das jedoch vom Gemeinderat als sinnvoll angesehen wird, um beide Schulstandorte zu erhalten.

Als hilfreich erweist sich die sachliche Diskussion in der Ratsrunde und die gelungene Premiere des neuen Bürgermeisters, der sein Engagement während des Wahlkampfs nahtlos in die ersten drei Wochen seiner Amtszeit übertragen hat.