Ideales Flugwetter: So also sieht Blumberg von oben aus. Pilot Harm Darwinkel zieht in diesen Tagen eigentlich Drachenflieger in die Luft. Foto: Privat

Zwischen Insassen und Flugzeug befindet sich nur wenig Material / Einfach nur schauen und entdecken

Blumberg - Wer den Himmel über Blumberg mit einem Ultraleichtflugzeug erkunden möchte, der muss zunächst einmal eine intime Frage beantworten.

Nämlich die nach dem Körpergewicht. Knapp 90 Kilo bringt der Autor dieser Zeilen auf die Waage. Jetzt heißt es rechnen, denn das zulässsige Gesamtgewicht des Ultraleichtflugzeugs, Modell Dragonfly von Moyes, liegt bei 475 Kilogramm. Das Leergewicht beträgt 275 Kilo. Mit den knapp 80 Kilo von Pilot Harm Darwinkel sollte ein Start also problemlos möglich sein. Denkste. Denn auch die Betriebsmittel des 1300 Kubikzentimeter starken Rotax-Motors (Leistung cirka 100 PS), Wasser, Öl und Benzin, müssen eingerechnet werden – und so wird der Himmel über Blumberg mit einem fast leeren Tank erobert.

Doch zuvor checkt Harm (Flieger duzen sich) seine fliegende Kiste auf potenzielle Schäden ab. Das macht er besonders gründlich, wenn er einen Passagier hinter sich sitzen hat. Sind alle Schrauben und Muttern der Steueranlage da, wo sie hingehören, oder hat sich womöglich irgendetwas losvibriert? Laufen die zwei Querruder, das Leitwerk und das Höhenleitwerk schön leicht? Sind Risse im Rumpfrohr zu sehen und ist das Fahrwerk in Ordnung? Der Laie stellt fest, dass so ein Ultraleichtflugzeug aus wenigen Teilen besteht, der Aufbau ganz simpel wirkt. Harm sieht das pragmatisch: "Je weniger dran ist, desto weniger kann kaputtgehen." Und was ist dieses weiße Ding, das an eine Sauerstoffflasche für Taucher erinnert? "Der Fallschirm", sagt Harm. Dieser werde mit einer Rakete gezündet.

Dann ist ja alles gut, denke ich mir: Ich bin mit Gurten am Ultraleichtflugzeug fixiert, das wiederum hängt im Fall der Fälle an einem Fallschirm – dann kann ja nichts passieren, und ich verdränge die Unfallmeldungen, die im Textarchiv dieser Zeitung auftauchen, wenn man den Suchbegriff "Ultraleichtflugzeug" eingibt.

"Propeller frei!" Das ist der letzte Satz, den ich von Harm höre. Direkt hinter meinem Kopf arbeitet der Motor. Da ich einen Helm trage – was natürlich Vorschrift ist –, dringen die 60 Dezibel nur gedämpft an die Ohren und schmälern den nun folgenden Fluggenuss kein bisschen. Nach wenigen Metern Anlauf hebt die Dragonfly ab, und ruckzuck ist die Mindestflughöhe erreicht – schließlich soll unten auf Mutter Erde niemand belästigt werden.Schnell ist auch die anfängliche Anspannung weg. Ganz ruhig liegt das Ultraleichtflugzeug in der Luft, der Genuss beginnt. Einfach nur schauen und entdecken. Und vergessen, dass heute ein ganz normaler Arbeitstag ist. Liedermacher Reinhard Mey hat mit seiner grenzenlosen Freiheit und den Ängsten und Sorgen, die so nichtig und klein erscheinen, für alle Himmelstürmer die passenden Worte gefunden.

Viel zu schnell landen wir wieder auf dem Segelflugplatz. Doch die Zeit drängt, denn eigentlich stehen Touristenflüge heute nicht auf dem Dienstplan von Harm. Er schleppt vielmehr Drachenflieger in den Himmel über der Baar. Der Luftsportverein hat dafür seinen Platz und die damit verbundene Infrastruktur dem Drachenfliegerverein Blumberg / Immendingen überlassen.

An diesem Wochenende wird einer dieser Luft-Akrobaten auch Tandemflüge anbieten. So lässt sich Blumberg von oben im Liegen und nicht im Sitzen wie im Ultraleichtflugzeug erleben – eine Montagemöglichkeit für die Action-Cam wird sich schon finden lassen.

Info: Ultraleichtflug

Die Maschine: Das von der Firma Moyes in Australien hergestellte Ultraleichtflugzeug (UL) Dragonfly ist seit 1993 auf dem Markt und weltweit im Einsatz. Die Konstruktion besteht aus Aluminiumrohren, Tragflügel und Leitwerk sind mit Dacrontuch bespannt. Der Pilot findet seinen Platz am vorderen Ende des zentralen Rumpfrohres. Geflogen werden kann die Dragonfly von beiden der hintereinander liegenden Sitze, Steuerknüppel, Pedale und Gasgriff sind doppelt vorhanden. Die sehr großen Steuerflächen ermöglichen eine sehr hohe Wendigkeit

Rekord: Der 2007 verstorbene Milliardär und Flugpionier Steve Fossett ist 2005 als erster Pilot ohne Zwischenstopp und ohne aufzutanken mit seinem Ultraleichtflugzeug um die Welt geflogen. Dabei stellte er mit 550,78 Kilometern pro Stunde einen Geschwindigkeitsrekord auf. Für die 36912 Kilometer brauchte er 67:01:10 Stunden. Fossett war damals 60 Jahre alt, er flog alleine.

Leichtflugzeugbauer: Dabei handelt es sich um einen anerkannten Ausbildungsberuf. Die Lehrzeit dauert drei Jahre, doch viele Lehrstellen gibt es nicht. Nach Informationen des Bundesinstituts für Berufsbildung wurden 2014 nur 15 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das waren alles Männer, sechs hatten einen Realschulabschluss, neun die Hochschul- oder Fachhochschulreife. Durchschnittlich waren sie beim Ausbildungsbeginn 20 Jahre alt, und die allermeisten Lehrstellen gibt es in Baden-Württemberg.

Ausbildung: Jeder, der mindestens 16 Jahre alt ist, kann mit der Ausbildung beginnen. Die Lizenz kann man mit 17 Jahren erwerben. Voraussetzung ist ein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis (Flugtauglichkeitsklasse 2), ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Kurs für Sofortmaßnahmen am Unfallort. Die Ausbildung erfolgt in kommerziellen UL-Schulen oder in Vereins-Flugschulen. Anfänger zahlen bei einer kommerziellen UL-Schule etwa 2500 bis 3500 Euro, preiswerter ist es im Verein. Zur Theorie zählen Navigation, Flugfunk, Luftrecht, Meteorologie, Aerodynamik und Technik (und eine pyrotechnische Einweisung). In mindestens 30 Flugstunden wird das Gelernte umgesetzt, bevor es zur Prüfung geht.