Linda Dörr arbeitet in der Nähe von Rio de Janeiro beim Projekt "Dogs in Brazil" mit. In dem Heim werden verwahrloste Hunde von der Straße geholt und gepflegt. Fotos: Dörr Foto: Schwarzwälder-Bote

Linda Dörr aus Fützen hilft beim Projekt "Dogs in Brazil" verwahrlosten Straßenhunden

Blumberg/Rio de Janeiro (lim). Linda Dörr aus Fützen geht ungewöhnliche Wege. Die 19-jährige zog es nach ihrem Abitur am Fürstenberg-Gymnasium weg aus der Heimat nach Brasilien. Sie unterstützt dort das Projekt "Dogs in Brazil".

Im vergangenen Juni stand Linda Dörr mit dem erfolgreichen gymnasialen Schulabschluss da, 19 Jahre alt. Jede Menge Zeit, aber keine Idee, was anzufangen. Die junge Frau beschloss, Lebenserfahrung zu sammeln – bei einem Bundesfreiwilligendienst und später in Brasilien bei einem Praktikum. Die Welt sehen, raus aus Deutschland, raus aus Europa und hinein in eine andere Kultur, das waren Gedanken, die sie trieben.

Linda Dörr hatte zunächst kein bestimmtes Land vor Augen, wohl aber ein Ziel: Sie wollte helfen. Lebewesen leiden überall auf der Welt aber im Gegensatz zu Menschen haben Tiere nicht einmal die Stimme, um nach Hilfe zu rufen. So ging sie auf die Suche.

Warum ausgerechnet Tieren helfen? Linda Dörr hatte schon immer eine enge Beziehung zu Tieren, wuchs mehr oder weniger zwischen Nachbars Kühen auf und füllte das elterliche Haus mit Meerschweinchen, Katzen, Ratten, Hasen und einmal sogar einem Mini-Schwein auf.

Die 19-Jährige suchte lange und fand schließlich ihren perfekten Ort in der Nähe von Rio de Janeiro. Dort setzen sich Jan und Carlos in der Organisation "Dogs in Brazil" für verletzte Straßenhunde ein, pflegen diese gesund und versuchen, ein zu Hause für sie zu finden. Das Heim sei eine kleine Oase für misshandelte Hunde. Die Tiere würden gut gepflegt, regelmäßig bewegt und stehen immer an erster Stelle, erzählt Linda Dörr. Natürlich sei es nicht möglich, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, aber dieser Ort komme einem perfekten Tierheim am nächsten.

Die Arbeitstage von Linda Dörr folgen einer gewissen Routine. Morgens werden die Zwinger gereinigt, Wasser gewechselt und die Hunde raus gelassen. Mittags beschäftigt sie sich mit den Tieren und bemüht sich, ihnen die Grundkommandos beizubringen, da dies ihre Chance, adoptiert zu werden, ungemein erhöhe. Nachmittags steht dann Hausarbeit auf dem Plan und abends wird gefüttert.

Die Routine lasse die Tage trotzdem nie langweilig werden. Es stehe immer etwas Neues an, sei es ein Tierarztbesuch mit einem kranken Hund, der Bau eines neuen Zwingers, die Reparatur einer Wasserleitung tief im Wald oder eine Fahrt in die Stadt um einkaufen zu gehen, erzählt die Fützenerin. Die junge Frau hat die Brasilianer als sehr offene und herzliche Menschen kennengelernt, die zuweilen auch ungewohnt locker seien. So könne es schon mal passieren, dass man warten muss, bis die Kassiererin zu Ende telefoniert habe oder angekündigte Leute sich um Stunden verspäten oder gar nicht erst auftauchen. "Ta Bom – Alles gut" umschreibe diese andere Mentalität ganz gut.

Nur im Bezug auf die dortigen Haustiere möchte Linda Dörr sich diese Lebenseinstellung nicht gefallen lassen. Nicht ohne Grund lebe der Großteil der Vierbeiner auf der Straße. Die Art Hunde zu behandeln, resultiert ihrer Meinung nach aus dem sozialen System. Brasilien habe nahezu keine Mittelschicht, dafür aber einen großen Teil der Bevölkerung, der in Armut lebe, und eine kleine privilegierte Oberschicht. Diese Oberschicht sehe in den Hunden oft nur ein Statussymbol und die Fellnasen werden geduscht, gewaschen, geföhnt und mit rosa Glitzerleinen ausgeführt. Das Problem sei dann, dass jeder Hund groß wird und Erziehung brauche. Verlören Herrchen oder Frauchen dann die Lust, ende der Hund auf der Straße. Hinzu komme, dass viele Menschen kein Geld für die Hundehaltung haben und viele Tiere sterben, da natürlich keine Tierarztkosten bezahlt werden können. Es sei auch kaum ein Hund kastriert oder gar gechipt, doch viele werden als Freigänger gehalten. Ständig sehe man verwahrloste Vierbeiner in den Straßen, die allerdings alle ein Halsband tragen und offensichtlich einen Besitzer haben. So steige die Hundepopulation in den Straßen weiter an und präge damit maßgeblich das Tierverständnis der Bevölkerung.

Natürlich verhalte sich nicht die ganze brasilianische Bevölkerung auf diese Weise, doch werde die Problematik vor allem in den Städten deutlich. Nicht einer der Hunde im Tierheim hätte ohne Hilfe überlebt. Linda Dörr kennt die tragischen Geschichten von Murphy, die mit einer Machete attackiert wurde, oder Ben, Bill und Caspar, die die einzigen Überlebenden auf einem verlassenen Grundstück waren. Und Skye, die vier Jahre lang mit einer Kette um den Hals allein in einem winzigen Zwinger gehalten wurde.

Linda Dörr verbrachte die vergangenen Wochen viel Zeit mir Skye und mittlerweile sei ihr klar, dass sie das Land nicht mehr ohne diesen Hund verlassen werde. "Mal ehrlich, wenn man sich in Brasilien verliebt, schaut man sich doch auch nicht in Deutschland nach Alternativen um, oder?", fragt sie ein bisschen trotzig. Deswegen stecke sie mitten in den Organisationsarbeiten, um den Hund in die EU einfliegen zu lassen. Es sei abzuklären, welche Auflagen beachtet werde müssen, den Hund etwa mit Chip und Impfung darauf vorzubereiten und die Spenden-kampagnie auf "igg.me/at/ahomeforskye/" zu betreuen.