Foto: Schwarzwälder-Bote

"Das ist völlig unvorstellbar!", so dürfte die Mehrheit aller intimen Religionskenner

"Das ist völlig unvorstellbar!", so dürfte die Mehrheit aller intimen Religionskenner zur Zeit Jesu gedacht haben, sofern sie überhaupt davon erfuhren bzw. es zur Kenntnis genommen haben; und so hallt ihr Ruf durch Jahrhunderte bis zu unserem Weihnachtsfest heute. "Gott wird Mensch? Was für ein Unsinn!"

Für die Religionskenner des Islam, des Buddhismus, des Hinduismus und vieler anderer Gläubigen ist es völlig unvorstellbar, dass Gott menschlich wird – und doch Gott bleibt, wie wir Christen gläubig-trotzig bekennen. Und das genau bekennen und feiern wir Christen an Weihnachten: dass Gott Mensch wird – aus Liebe zu uns Menschen.

Wenn wir den großen unendlichen Gott des Weltalls schon gar nicht mit unserer Verstandes- und Vorstellungskraft erreichen können, so ist es doch möglich, uns von seiner Liebe einholen, uns von ihm lieben zu lassen. So finde ich es wunderschön, gut und richtig, dass dieses Fest der Geburt Jesu für uns zu einem Fest der Liebe geworden ist. In dem Kind in der Krippe können wir Gott als den erkennen, der er ist: sich verschenkende Liebe, die in ihrer Wehrlosigkeit nicht zwingt und nicht dominiert, sondern frei lässt und zugleich herausfordert.

Dieser Liebe Gottes sollen wir mit unserem Leben Antwort geben. So ist es gut, dass viele unserer Mitmenschen – nicht nur Christen – sich bemühen, die Liebe zueinander wahr werden zu lassen, vor allem in der Familie, aber auch anderen Mitmenschen gegenüber.

Solche Liebe aber sollte nicht nur an Weihnachten geschehen, sondern das ganze Jahr über. Immer wieder sollten wir daran denken: Wir sind durch die Liebe Gottes Kinder Gottes. Im 1. Kapitel des Evangeliums nach Johannes steht: "Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht Kinder Gottes zu werden." (Joh 1.12) Leider sieht es aber auf unserer Erde in dieser Zeit wesentlich anders aus.

An vielen Orten herrscht Krieg und dadurch Elend und Not. Christen können sich nicht mehr vorstellen, dass man Krieg führen kann im Namen Gottes. Das hat das Christentum im Lauf der Jahrhunderte gelernt. So könnte das Weihnachtsfest allen Menschen zeigen, dass die Liebe zu Gott und den Menschen das Wichtigste ist, was wir brauchen und niemals Krieg, Ausrottung Andersgläubiger und Vernichtung anderer Religionen.

Unsere Aufgabe ist es, dafür zu arbeiten, dass alle Menschen, die mit uns leben, in Freude und im Frieden mit uns leben können. Und diese Aufgabe sollte sich ausweiten in alle Welt hinein – überall dorthin wo Not und Elend und Krankheit vorherrschen.

Und da geschieht viel Gutes an vielen Orten, das eben oft im Unscheinbaren geschieht, weil es für die Öffentlichkeit nicht bekannt gemacht wird. "Gott ist Liebe"“ (1Joh 4,8). Das ist die Botschaft von der Menschwerdung Gottes – damals in Bethlehem und genauso heute dort, wo sich Menschen dieser Liebe öffnen.

Der Mystiker des Mittelalters Angelus Silesius schrieb diesen Satz: "Wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du wärest ewiglich verloren."