Vorrückende französische Soldaten nehmen ab dem 25. April Fützen tagelang unter Beschuss. Im Hintergrund ist das Gebäude des ehemaligen Lebensmittelgroßhandels Wehinger (heute Haus Stoffler) zu erkennen. Die Rauchwolke zeugt von den in Brand geschossenen Häusern: Insgesamt wurden bei den Kampfhandlungen 16 Gebäude in Schutt und Asche gelegt. Foto: Gemeindearchiv Schleitheim Foto: Schwarzwälder-Bote

Schlacht um Fützen im April 1945 / Zwei Männer auf verhängnisvoller Fahrradfahrt mit der weißen Fahne / Teil I

Von Erich Schüle

Fützen. Die Zeit heilt bekanntlich Wunden und so ist es wohl auch in Fützen mit dem Erinnerungsvermögen 70 Jahre zurück in die wohl schwärzesten Tage vom April 1945. Dies umso mehr, als es heute nur noch wenige Zeitzeugen gibt, die sich nach 70 Jahren Frieden und heutigem Wohlstand an die verhängnisvollen Tage zu erinnern vermögen.

In den Tagen um den 26. April 1945 standen dicke schwarze Rauchwolken über dem Bauerndorf Fützen, verursacht durch starken Granatenbeschuss aus französischen Panzern, die sich unterhalb des Ortseingangs von Grimmelshofen her auf Fützen eingeschossen hatten, um die sich eingenisteten Restbestände deutscher Kampftruppen zu vertreiben.

Schon Tage zuvor wurde das Dorf von Behla aus mit Granaten beschossen, nachdem Aufklärungsflugzeuge die Ziele ausgemacht hatten. Dabei gab es die ersten Toten unter den Bürgern. Die Tragödie hatte bereits am Sonntag, 22. April 1945 begonnen, da versprengte Teile des 18. SS-Korps unter General Keppler durch Fützen zogen, um sich über den Randen an den Bodensee durchzuschlagen. Dies blieb den französischen Aufklärungsflugzeugen, die ungefährdet ständig über Buchberg und Randen kreisten, natürlich nicht verborgen. Nachdem sich bei zunehmenden Granateinschlägen die Menschen in ihren Häusern, im katholischen Pfarrhaus hatte Ortspfarrer Ulrich Waibel im Kellergewölbe etwa 65 Personen Unterkunft gegeben, nicht mehr sicher fühlten, flüchtete ein Großteil der Dorfbewohner mit Hab und Gut auf Leiterwagen und vorgespannten Kühen an die Schweizer Grenze, in den Hochwald oder in den Tunnel am Achdorfer Weg.

Der "Höhepunkt" der sich anbahnenden Tragödie, die später in Berichten als Panzerschlacht um Fützen bezeichnet wurde, begann ab Mittwoch, 25. und 26. April. Versprengte deutsche Truppen hatten sich im Ort festgekrallt und verwehrten in erbitterten Kämpfen den Franzosen die Erstürmung des Dorfes und zwangen diese schließlich zum Rückzug, um so die Einkesselung zu verhindern und die Öffnung zum Randen und Hegau aufrecht zu erhalten.

Zur Unterstützung forderten die Franzosen daraufhin Jagdbomber an, die aber die Ziele verfehlten und deren tödliche Fracht außerhalb des Dorfes niederging. Bald nach dem Rückzug aber erschienen die Angreifer verstärkt wieder und schossen das Dorf mit einer Dauerkanonade buchstäblich sturmreif.

Inzwischen hatten sich zwei beherzte Männer aus Fützen, (Johann Gg. Gleichauf und der spätere Bürgermeister Justin Gleichauf), unbemerkt mit dem Fahrrad und weißer Fahne auf den Weg nach Blumberg gemacht, um dort bei den Franzosen um Verschonung des Ortes zu bitten und Fützen kampflos zu übergeben.

Zu ihrem Entsetzen starteten die deutschen Truppen zeitgleich wieder einen neuen verzweifelten Vorstoß aus dem Ort heraus, und so wurden die damit unglaubwürdigen Botschafter in Zollhaus kurzerhand in einen Keller gesperrt, konnten aber kurz vor Überstellung in ein Gefangenenlager nach Villingen fliehen und auf Schleichwegen zu ihren besorgten Familien heimkehren, für die sie bereits als verschollen galten.

Bedrängt von der Übermacht der Angreifer, zogen die deutschen Kämpfer um Mitternacht unter Zurücklassung ihrer schweren Kampfgeräte ab, um sich in die nahe Schweiz oder in Richtung Hegau abzusetzen. Am Freitag, 27. April 1945, ab 10.30 Uhr rollten die französischen Panzertruppen in das brennende Dorf und einige Tage später ordnete der noch lange siegessichere General Keppler die Auflösung des einst kampfstarken 18. SS-Armeekorps an, was den endgültigen Zusammenbruch der Front längs der Schweizer Grenze und zum Bodensee bedeutete.

In Fützen aber lagen 16 Häuser in Schutt und Asche und die Kadaver von 45 Stück Großvieh in den ausgebrannten Stallungen verbreiteten einen unerträglichen Gestank. Auch der Kirchturm, auf dem die deutschen Verteidiger Beobachtungsposten bezogen hatten, war durch den Beschuss einsturzgefährdet.

Indessen wollen Zeugen beobachtet haben, dass SS-Soldaten vor ihrem Abzug das Schul- und Rathaus in Brand steckten, dabei wurden sämtliche Grundbuchakten ein Raub der Flammen. Die Sieger begannen sofort mit Hausdurchsuchungen. Es kam zu Repressalien und Vergewaltigungen. Im katholischen Pfarramt wurde zunächst die Kommandantur eingerichtet, die später in das Kaufhaus Wehinger verlegt wurde. Im Ort wurde, soweit es die Besatzer zuließen, echte Nachbarschaftshilfe geleistet.

Weitere Informationen: Quellen: Aufzeichnungen von Pfarrer Ulrich Waibel, Fützen, Ortschronik Fützen, Fred Trendle, Buch: 10 Tage im April, Gemeindearchiv Schleitheim/CH, Willi Bächtold, Hegau-Bibliothek, Singen/Hohentwiel, Zeitzeugen aus dem Dorf.