Sind auch Sie einst so herumgelaufen? Irgendwann holt uns die Vergangenheit immer ein. Foto: skue

Jeder hat seine Lieblingsstücke. Bei unserer Autorin sind es ihre ersten Doc Martens - oder vielmehr: Sie waren es.

Es gibt Klamotten, die sind zu schade für die Altkleidersammlung - und erst recht für geldgierige Betrüger, die gebrauchte Kleidung meistbietend verkaufen, anstatt sie an Bedürftige zu verteilen. Manche Teile haben einfach einen ideellen Wert, den nur der Besitzer selbst versteht. Bei mir zum Beispiel waren es meine ersten Doc Martens. Als ich die gekauft habe, war ich dreizehn Jahre alt, also soeben Teenager geworden und dabei, die Welt zu entdecken. Es war die Zeit, in der man merkt, dass der Kerl in der Parallelklasse mehr ist als ein fußballbegeisterter Idiot und dass die Samstagabende aus mehr bestehen als aus "Wetten, dass..?"-Gucken mit den Eltern.

Mein Gott, was habe ich mit diesen Schuhen alles erlebt! Ich bin darin mit meinen Mädels im Regen durch den Schlamm gewatet, weil wir unbedingt auf diesem Dorffest gewesen sein mussten. Ich bin damit aus der Schule geflüchtet, weil es Wichtigeres gab als nicht enden wollende Chemiestunden. Ich trug diese Schuhe, als ich meinen ersten Kuss bekam, kippte darin um, als ich zum ersten Mal zu viel billigen Sangria getrunken hatte und drückte damit meine erste Zigarette aus. Mit fünfzehn lernte ich damit das Rollerfahren, trat aufdringlichen Kerlen gegen das Schienbein und schummelte mich auf Partys rein. Ich war stolz auf jeden Kratzer, den diese Treter bekamen, bildete ich mir doch ein, dass diese meine Lebenserfahrung widerspiegeln würden. Diese Schuhe, dachte ich mir, würde ich eines Tages stolz meinen Kindern präsentieren, um ihnen damit zu beweisen, dass ich einst auch mal cool war.

Aber daraus wird jetzt nichts: Als ich neulich nach meinen Liebhaberstücken suchte, teilte mir meine Mutter mit, dass sie die Stiefel im Sammeleimer an die Straße gestellt hätte. Ihr Argument: "Das waren doch bloß zwei alte Schuhe." Nein, waren sie nicht! Diese Docs haben mich beim Erwachsenwerden begleitet! Wenn sie mich schon nicht weiterhin begleiten dürfen, hätte es sich zumindest gehört, sich anständig von ihnen zu trennen. Dürfen nicht auch Kleinkinder heutzutage ihre Schnuller vergraben oder dem Nikolaus mitgeben? Auch meine Schuhe hätten eine letzte Streicheleinheit verdient gehabt.

So aber blieb mir nichts anderes übrig, als sie symbolisch zu verabschieden: Ich stellte mich barfuß in den Regen und würgte ein paar Schlucke billigen Sangria hinunter. Mag sein, dass wir verklärt auf unsere Vergangenheit blicken. Wert ist sie es aber allemal.