Interview: In Bisingen sind Filmvorführungen ein Teil des Gedenkens an den Holocaust

Bisingen. Am 27. Januar ist Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts. Dieses Datum nimmt der Verein Gedenkstätten KZ Bisingen zum Anlass, eine etwas andere Form des Gedenkens zu begehen. Es wird der Vorbehaltsfilm "Kolberg" gezeigt.

Seit wann gibt es die Filmvorführungen am 27. Januar und warum haben Sie diese ins Leben gerufen?

Es soll klar werden, dass das, was hier in Bisingen im Konzentrationslager passiert ist, nicht vom Himmel gefallen ist. Wir veranstalten die Filmvorführung bereits zum vierten Mal, immer um den 27. Januar herum. Dies ist sowohl ein deutscher und israelischer, als auch ein Gedenktag der Vereinten Nationen zur Erinnerung an die Befreiung Auschwitzs. Anstatt einer "klassischen" Gedenkfeier wollen wir die Menschen bitten, Stellung zu dem Geschehenen zu beziehen.

Heutzutage gibt es ja "Internationale Tage" für so ziemlich alles, von der Jogginghose bis zum Butterbrot. Haben Sie da manchmal die Befürchtung, dass ein wichtiger Tag wie der Holocaust-Gedenktag in der Masse untergeht?

Ich bemerke schon eine Inflation von "Internationalen Tagen". Es besteht eine Gefahr der Entwertung. Aber wir sind es den Opfern schuldig, den Holocaust-Gedenktag aufrecht zu erhalten. Es müssen neue Formen gefunden werden, um das historisch-politische Bewusstsein dorthin zu lenken. Insbesondere, wenn man an das heutige Phänomen des Populismus denkt.

Warum haben Sie sich dieses Jahr für den Film "Kolberg" entschieden? Was sagt dieser Film Ihrer Meinung nach über die NS-Zeit aus?

Man kann den Film sehr kontrovers diskutieren. Es war der letzte Film aus Nazi-Produktion und hinsichtlich der Ausstattung, Statisten und Drehzeit auch der teuerste. Der Film wurde 1944 in Auftrag gegeben – da war das Ende des Dritten Reichs aus heutiger Sicht eigentlich schon absehbar. Die heutige Bezeichnung "Durchhaltefilm" wurde "Kolberg" auch erst nach Ende des Krieges zugeschrieben. Hitler und Goebbels hingegen sprachen vom "Film als Wunderwaffe" – die Nazis kannten nur Sieg oder Untergang, vom Durchhalten war keine Rede. Interessant ist außerdem, dass der Film nur zweimal gezeigt wurde – einmal im U-Boot-Hafen "La Rochelle" und einmal im Kinopalast in Berlin – und auch nur vor geladenen Gästen. Alle anderen Kinos waren bereits zerstört. So hat der Film die Bevölkerung letztendlich gar nicht erreicht.

Wie funktioniert das Zeigen eines Vorbehaltsfilms? Bekommen Sie eine DVD, die Sie hinterher zurückgeben müssen?

Genau. Alle Filme werden von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung verwaltet und bei Bedarf ausgegeben. Zu Vorbehaltsfilmen muss es zudem grundsätzlich eine Einführung zur Erklärung geben. Bereits vor der Entstehung des Films gab es ein Theaterstück namens "Colberg" von Paul Heise, das schon vor der Nazi-Zeit Pflichtlektüre im Gymnasium war. Heutzutage muss die Geschichte eher erklärt werden.

Gilt die Regelung der Vorbehaltsfilme dann nur in Deutschland oder auch in anderen Ländern?

Es ist eine deutsche Regelung. Im Ausland kann man Vorbehaltsfilme problemlos anschauen und auch kaufen. Deshalb wird auch jedes Mal diskutiert, wie lang die Einführung vor dem Film sein sollte. Von den Vorbehaltsfilme wurde bisher keiner wieder freigegeben. Aber schon die Tatsache, dass man über diese Filme spricht, macht einen politisch bewusster.

Was erhoffen Sie sich von der Diskussion nach der Filmvorführung?

Es ist auf jeden Fall die Diskussion erwünscht, ob es sich hierbei um eine angemessene Form des Gedenkens handelt. Manch einer mag sich fragen, ob man mit dem Zeigen eines solchen Films den Nazis nicht wieder gerecht wird. Des Weiteren kommt oft die Frage auf, warum ein Film überhaupt noch unter Vorbehalt ist. Ist der Film überhaupt noch gefährlich und könnte er instrumentalisiert werden? Gerade ein Film wie "Kolberg" hatte mit seinen gigantischen Aufnahmen in Farbe, mit denen Hollywood Konkurrenz gemacht werden sollte, eine große außenpolitische Wirkung. Leere Empörung trägt nicht weit. Wir sind mittlerweile jenseits davon, dass wir den Holocaust als persönliche Schuld ansehen. Wir laden auch immer wieder ehemalige KZ-Häftlinge zu den Veranstaltungen ein. Das sind diejenigen, die sagen können: "Ihr seid nicht schuld", da sie der Opfergeneration angehören.

Es stehen in diesem Jahr ja auch Jubiläen an: Den Geschichtslehrpfad gibt es seit 1997, der KZ-Friedhof wurde 1947 eingeweiht. Wie geht es mit dem Museum weiter?

 Der Film:

Der Durchhaltefilm "Kolberg" wurde von 1943 bis 1944 gedreht. Regie führte Veit Harlan, der bereits für den Film "Jud Süß" als Regisseur tätig war. Die Produktion fand im Auftrag und unter Aufsicht von Joseph Goebbels statt. "Kolberg", und auch die Handlung des Films, bezieht sich auf die Belagerung Kolbergs im Jahre 1807. Es geht um die erfolgreiche Verteidigung der preußischen Festung in Pommern während des Vierten Koalitionskrieges gegen französische Truppen.

Vorbehaltsfilme:

 Vorbehaltsfilme sind Propagandafilme, deren Inhalt rassistisch, volksverhetzend oder kriegsverherrlichend ist und die daher nicht für den Vertrieb freigegeben werden.