Familie Kenan aus Bisingen hat sich an einige Weihnachtsbräuche angepasst. Im Imbiss in der Heidelbergstraße wird aber mehr dekoriert als zu Hause. Foto: Huger Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Bei Familie Kenan aus Bisingen gibt es kein Fest, aber trotzdem Geschenke

Von Robert Huger

Die türkische Familie Kenan aus Bisingen erzählt, wie sie Heiligabend verbringt und wie sie die Weihnachtszeit erlebt.

Bisingen. Gibt es überhaupt ein türkisches Wort für Weihnachten? Auf diese Frage weiß Melissa Kenan (14 Jahre) auf Anhieb keine Antwort. Auch ihre Mutter überlegt kurz. "Nein, gibt es nicht", sagt Gülcan Kenan schließlich. Kein Wunder, Weihnachten wird bei türkischen Familien eigentlich nicht gefeiert – eigentlich.

"Finde es fies, wenn Kinder von ihren Geschenken erzählen."

Die Kenans leben in dritter Generation in Deutschland und haben sich doch ein paar Weihnachtsbräuche zu eigen gemacht. "Wir haben Weihnachtsmänner, Plätzchen, Kerzen und wir bekommen einen Weihnachtskalender", erzählt Melissa Kenan. Mit "wir" ist auch ihr Bruder Mahmut (10) gemeint. Geschenke gibt es am 24. aber auch.

"Ich finde es fies, wenn Kinder von ihren Geschenken erzählen und andere Kinder schauen in die Röhre", sagt Mutter Gülcan. Sie seien eben etwas lockerer, also nicht streng muslimisch. Bei ihren Eltern sei das anders gewesen. Die hätten gar nichts mit Weihnachten zu tun gehabt. Doch Gülcan, ihr Mann Dervis und ihre Kinder haben jedoch Freude an einigen Weihnachtsbräuchen. "Es gibt Sachen, die man gerne mitmacht, weil es schön ist", sagt Gülcan. Man müsse ja nicht in die Kirche gehen und beten. Der Glaube spielt ohnehin eine unterschiedlich wichtige Rolle bei Familie Kenan. Denn Vater Dervis ist Alevit, Mutter Gülcan ist Muslimin, Tochter Melissa meint, sie sei irgendwo zwischen diesen beiden Glaubensrichtungen und Sohn Mahmut hat sich bisher noch keinem Glauben zugewandt.

Melissa Kenan gefallen besonders die Weihnachtsmärkte. "Das mag ich an Weihnachten an meisten", erzählt sie. Denn dort gibt es Magenbrot, Kinderpunsch, Schupfnudeln und viele andere leckere Sachen. "Da ist dann so ein Weihnachts-Feeling", sagt Melissa. Sie gehe oft mit ihren Freunden hin. Die Familie gehe aber auch gemeinsam auf den Weihnachtsmarkt.

In der Türkei gibt es keinen Tannen- sondern einen Neujahrsbaum

Einen Weihnachtsbaum gibt es bei Kenans nicht. Etwas Spezielles zu essen ebensowenig. An Heiligabend unternimmt die Familie meistens einen Ausflug. Manchmal werden Onkel und Tanten besucht. Einen festen Ablauf und bestimmte Rituale gibt es hingegen nicht. Einen Baum hatte Gülcan im vergangenen Jahr im Imbiss ihres Mannes aufgestellt. "Die Leute fragen danach", sagt Gülcan. Den besagten Brauch gibt es in der Türkei wohl schon. "Sie haben es von anderen Europäern übernommen", erläutert Gülcan. Allerdings werde der Tannenbaum dort als Neujahrsbaum bezeichnet.

Einen Ausdruck für Neujahr weiß Tochter Melissa sofort: "Yeni Yil. Das Wort für Silvester lautet: Yilbasi." Zum Jahreswechsel findet dann auch die größere Feier statt. Nicht selten wird dafür eine Halle gemietet. Bis zu 50 Personen kommen zu so einem Fest. Dann wird gemeinsam der "Halay" getanzt. Dabei halten sich alle an den Händen, gehen im Kreis und tanzen. Ein traditionelles Gericht fehlt auch hier. Bis auf den Nachtisch: "Baklava gibt es eigentlich immer", sagt die 14-jährige Melissa.