Hier passierte der Unfall: Auf der B 27 nahe der Ausfahrt Steinhofen knallte im Dezember ein Auto in einen Lastwagen, der davor zum Überholen ausgeschert war. Der Brummifahrer musste sich deswegen vor Gericht verantworten. Foto: Maier

Amtsgericht Hechingen verurteilt 60-Jährigen wegen heftigen Zusammenstoßes auf der B 27 bei Bisingen.

Bisingen - Hat er oder hat er nicht? Der 60-jährige Lastwagenfahrer aus Bremen betonte am Freitag: »Ja, ich habe in den Rückspiegel geschaut, mehrmals.« Wenige Sekunden nachdem er auf der Bundesstraße 27 nahe Bisingen zum Überholen ausscherte, knallte ihm ein Auto hinten rein. Am Freitag kam der Fall vor Gericht.

Verhandelt wurde ein Vorfall, wie er sich jeden Tag auf den Straßen der Republik abspielt: Ein Lastwagenfahrer überholt, Autofahrer müssen deswegen bremsen. In diesem Fall aber war es dafür zu spät, weil, wie das Amtsgericht Hechingen es begründete, der Brummifahrer die »notwendige Sorgfalt außer Acht gelassen« habe.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der gebürtige Bayer am Vormittag des 19. Dezember 2011 auf der Fahrt nach Balingen zwischen den Ausfahrten Bisingen und Steinhofen fahrlässig den Straßenverkehr gefährdet und sich deshalb als »ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges« entpuppt habe. Verhängt wurde die Mindeststrafe: drei Monate ist der Mann seinen Lappen los. Der Führerschein ist bereits seit Ende Juli 2012 eingezogen, vermutlich hat er ihn also bald wieder. Dazu kommt eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro. Zu der Verhandlung gestern war es gekommen, weil der Lastwagenfahrer Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte.

Allzu drastisch wollte das Gericht nicht urteilen: Der Führerscheinentzug bedroht laut Aussage des Anwalts den Bremer in seiner Existenz. Seit Juli 2012, seitdem der Führerschein eingezogen ist, ist der Mann arbeitslos. Für den Brummi-Fahrer war die Mindeststrafe gleichwohl ein harter Schlag. 30 Jahre lang war er unfallfrei unterwegs. Als das Urteil verlesen wurde, schüttelte er den Kopf. »Ich gefährde doch niemanden, ich bin ein umsichtiger Fahrer.«

Wiederholt hatte der 60-Jährige betont, dass er den von hinten herannahenden Wagen, in dem ein 22-Jähriger aus Meßstetten unterwegs war, schlicht nicht habe kommen sehen, bevor er zum Überholen eines langsam vor ihm herzuckelnden Autos mit Anhänger ansetzte. Das sei ein Überholvorgang gewesen, wie er ihn im Lauf seines Berufslebens schon viele tausend Male ausgeführt habe.

Der Meßstettener, der zu diesem Zeitpunkt etwa 150 Meter entfernt auf der linken Spur unterwegs war, sagte, er habe den Blinker gesehen und gedacht: »Der sieht mich, der wird jetzt wohl nicht rausfahren.« Tat der Brummifahrer aber doch. »Und dann war es einfach zu spät zum Bremsen, zum Reagieren.« Wie ein Gutachter ermittelte, knallte der junge Mann, der nach eigenen Angaben mit bis zu 170 Sachen über die B 27 bretterte, mindestens mit Tempo 120 in den Aufhänger des Lasters, als dieser gerade die Spur wechselte. Das Auto verkeilte sich und wurde mehrere hundert Meter mitgeschleift, ehe der Lastwagen zum Stillstand kam. Der Unfall war spektakulär. Der Meßstettener kam mit Schnittverletzungen an den Händen, einer Gehirnerschütterung sowie einem Schleudertrauma vergleichsweise glimpflich davon. Sein Auto hatte dagegen nur noch Schrottwert.

Entgegen den Aussagen des Lastwagenfahrers meinte der Gutachter, dass dieser das auf der linken Spur herannahende Auto habe sehen »können und müssen«. Der Spurwechsel mit dem Lastwagen sei also die Unfallursache.

Das wollte der Verteidiger so nicht stehen lassen: Möglicherweise habe sein Mandant das Auto nicht gesehen, weil dieses nicht auf der linken, sondern auf der rechten Spur gefahren sei. In diesem Punkt stehe »Aussage gegen Aussage«. Möglicherweise sei der junge Mann mit »nicht angepasster Geschwindigkeit« über die B 27 geheizt. Möglicherweise also trage der Lastwagenfahrer nicht die alleinige Schuld an dem Unfall, wenn er denn überhaupt eine Schuld daran habe. Der Verteidiger meinte, der Zusammenstoß sei für seinen Mandanten »weder vorhersehbar noch vermeidbar« gewesen – und forderte ein weiteres Gutachten. Diesen Antrag allerdings lehnte der Richter ab: Ein weiteres Gutachten sei »für die Wahrheitsfindung nicht erforderlich«.