Trainiert wird mit Holzpuppe, Langstock oder Doppelmessern. Frank Riekers nächstes Ziel ist der sechste Meistergrad in der Kampfkunst Wing Tsun. Foto: Rapthel-Kieser

44-Jähriger aus Bodelshausen zählt zu Besten Europas. Kampfkunst ist Schachspiel mit Körper und Geist.

Bisingen/Bodelshausen - "Das ist kein Sport, es ist eine Kunst, es ist ein Schachspiel mit Körper und Geist", sagt der 44-jährige Bodelshausener Frank Rieker. Und er muss es wissen, denn er ist ein Meister des Wing Tsun.

Wing Tsun, ein Stil des chinesischen Kung-Fu, betreibt Frank Rieker seit 24 Jahren, und mittlerweile gilt er als Meister, als einer der besten Kampfkunstlehrer Europas. Seit zehn Jahren betreibt er in Bisingen, in der Bahnhofstraße 32, eine Wing-Tsun-Schule. Seit 2003 führt er den Titel "Sifu", was "väterlicher Lehrer" bedeutet.

Erst im Juni hat Rieker, der als Maschinenbaumechaniker arbeitet, die Prüfung zum fünften Meistergrad vor der Europäischen Wing-Tsun Organisation (EWTO) abgelegt. An den Wänden der Wing-Tsun Schule in Bisingen zeugen zahlreiche Urkunden und Zertifikate von Riekers langem Weg zum Meister. Er hatte zwölf Schülergradprüfungen zu bestehen, vier Lehrergrade, dann kam der erste Meistertitel. Zwölf gibt es insgesamt, aber den letzten wird er ganz sicher nicht mehr erleben, denn der wird nur nach dem Tod verliehen.

Immerhin ist er jetzt schon Meister des 5. Grades. Dieses Niveau haben in Europa schätzungsweise nur etwa 50 Kämpfer. Rieker hat jetzt den sechsten Grad im Blick. Dafür sind Fertigkeiten mit den langen Holzstöcken gefragt. Für den siebten Meistergrad stehen dann die Doppelmesser auf dem Programm.

Trotzdem übt Rieker immer wieder an der Holzpuppe vor dem Spiegel in seiner Schule die 108 Grund-Bewegungen, die beim Abwehren des Gegners ständig vorkommen. Rieker hat zur Zeit etwa 60 Schüler. Sie sind zwischen fünf und 55 Jahre alt und kommen aus allen sozialen Schichten. Polizisten sind darunter, Bewährungshelfer, Chirurgen, Manager oder Verkäufer. Einige haben eine Situation erlebten, in der sie sich angesichts einer Bedrohung hilflos vorkamen. "Beim Wing-Tsun geht es nur um die Verteidigung", betont Rieker, und statt Kraft sei Grips gefragt, denn man nutze die gegnerische Kraft. Dazu schule man die Aufmerksamkeit, Balance und Koordination, man übe, die Körpersprache des Gegners zu entschlüsseln und wie man Streit und Gewalt aus dem Weg gehe.

"Das ist auch Gewaltprävention, wenn jemand durchs Training so viel Selbstbewusstseins ausstrahlt, dass er gar nicht erst in die Opferrolle schlüpft", sagt Rieker. Und: "Eine Frau muss ich dafür normalerweise anders trainieren als einen Mann". Der Legende nach war es auch eine Frau, die Wing Tsun vor 250 Jahren erfunden hat. Ng Mui, Nonne in einem Shaolin-Kloster, entwickelte eine Technik, um sich gegen männliche Angreifer verteidigen können. Ihre erste Schülerin hieß Wing Tsun, was eigentlich "Schöner Frühling" bedeutet. Danach wurde dann die ganze Technik benannt, die mittlerweile auch Grundlage für das Training von Sondereinsatzkommandos und Eliteeinheiten ist. Frank Rieker ist darin Meister, und dennoch meint er bescheiden: "Im Wing Tsun bleibt man sein Leben lang selber Schüler."

Weitere Informationen: www.wt-schule-bisingen.de