Kleinster gemeinsamer Nenner: Roland Haaß, Vorsitzender des Stiftungsrats der Lebenshilfe Zollernalb. Foto: Rath

Lösung in Sicht im Streit mit der Bundesvereinigung. Stiftungsratsvorsitzender Roland Haaß kritisiert "Politikum".

Bisingen - Quadratur des Kreises: Die Lebenshilfe Zollernalb hält unbeirrt an ihrem Stiftungsmodell fest. Trotzdem sucht sie eine Lösung im Streit mit der Bundesvereinigung. Deshalb soll ein neuer Verein gegründet werden.

Die Stiftungsversammlung der Lebenshilfe machte am Mittwoch einstimmig den Weg frei für diese Einigung. 118 Mitglieder nahmen teil. Roland Haaß, Vorsitzender des Stiftungsrats, hatte zuvor für "den Weg des kleinsten gemeinsamen Nenners" geworben.

Im September hatten sich die Lebenshilfe Zollernalb sowie die Landes- und Bundesvereinigung intern auf diesen "gemeinsamen Lösungsweg" verständigt, der beiden Seiten Rechnung tragen soll.

Ein Rechtsstreit müsste damit vom Tisch sein. Marianna Numberger aus Haigerloch, Mitglied des ehemaligen Lebenshilfe-Vereins, hat mittlerweile Klage gegen die Neuorganisation eingereicht. Der Bundesverband wollte ihr die Prozesskosten bezahlen (wir berichteten). Diese Zusage wird nun zurückgezogen.

Die Eckpunkte der Lösung: Die neue Grundstruktur der Lebenshilfe Zollernalb, die mittlerweile vollständig umgesetzt ist, bleibt erhalten; die neue Stiftung bildet das Dach der Lebenshilfe-Einrichtungen im Landkreis. Der neue Verein soll rechtliches "Bindeglied" zwischen Stiftung, Organisation und Verbänden sein. Die Mitglieder und Organe sind die selben wie die der Stiftungsversammlung, sie sollen automatisch eine Doppelmitgliedschaft erhalten. Zweck des neuen Vereins solle in erste Linie die "ideelle Förderung" der Lebenshilfe-Arbeit sein. Der Vorstand ist gleichzeitig Stiftungsrat. Der Verein soll Menschen mit geistiger Behinderung fördern, aber "vorerst keine eigenen Einrichtungen betreiben oder leiten". Der bestehende Betreuungsverein der Lebenshilfe könne dies aus rechtlicher Sicht "nicht erfüllen". Eigene Beiträge will der Verein nicht erheben, für die Mitglieder ergäben sich auch sonst keine Nachteile oder weitere Verpflichtungen. Die Stiftungs-Satzung muss dem neuen Konstrukt angepasst werden. Außerdem will die Lebenshilfe ein Beschwerderecht einführen, sollte ein Mitgliedschaftsantrag vom Stiftungsrat abgelehnt werden. Im Streitfall entscheide die Stiftungsversammlung über die Aufnahme eines Interessenten "abschließend".

Mit der Zustimmung durch die Basis scheint der Weg nun frei für eine Lösung der Differenzen, die die Lebenshilfe Zollernalb seit Monaten beschäftigen. Entsprechend verständnislos reagierte Roland Haaß auf das Vorgehen vor allem der Bundesvereinigung, die sogar mit Ausschluss der Lebenshilfe Zollernalb gedroht hatte.

Die Stiftung sei richtig, so Haaß. Damit würden die Einrichtungen im Kreis "dauerhaft" abgesichert. Außerdem erfülle das Modell "die Bedürfnisse einer modernen Unternehmensführung". Trotzdem bleibe eine "wirkungsvolle Mitgestaltung der Mitglieder" erhalten. Der Basis stünden nach wie vor "sämtliche bisherigen Initiativ- und Antragsrechte" zu. Die Stiftung biete mehr Schutz als das Vereinsrecht. Die Kontrolle übernimmt bei der Stiftung der Stiftungsrat. Angesichts der Größe der Lebenshilfe im Kreis mit knapp 30 Millionen Euro Bilanzsumme sei dies "effizienter und effektiver".

Der Bundesverband pocht hingegen weiter auf das Vereinsmodell, gängige Rechtsform der Lebenshilfe-Organisationen. Den Streit bezeichnete Haaß als "unsäglich". Es handele sich nicht um ein Rechtsproblem, sondern ein "Politikum" und um eine "Machtdemonstration" aus Berlin. Die Position der Bundesvereinigung könne er "nicht verstehen", ebenso wenig das Vorgehen, gleich mit Rechtsmitteln zu drohen und erst dann miteinander zu reden. Es seien aber nur "einige wenige Personen, die weit weg von der Basis sind, die darüber entscheiden, wie wir uns organisieren sollen", so Haaß.

Die Vereinsgründung erfolgt mit Bauchschmerzen. Die Alternative wäre ein Ausscheiden aus der Lebenshilfe gewesen. Der Verlust der "Wortbildmarke" und eine weitere Verunsicherung der Mitglieder seien für Haaß jedoch "das Schlimmste, was passieren könnte". Eine weitere Mitgliederwerbung wäre dann "gänzlich unmöglich". Angesichts des gesellschaftlichen Wandels komme die Lebenshilfe nicht umhin, zumindest bei größeren Einrichtungen neue Organisationsstrukturen zu schaffen. Eine Reihe anderer Vereinigungen hätten auf den Weg der Lebenshilfe Zollernalb deshalb mit "viel Lob und Verständnis" reagiert. Auch Bisingens Bürgermeister Joachim Krüger, der die Entlastung herbeiführte, würdigte den Mut, die Beharrlichkeit und die Arbeit der Lebenshilfe vor Ort.

u Bisingen