Mit der Siedlung "Hohenlaien" wurde ein Siedlungsbauprogramm für Flüchtlinge aus dem Zweiten Weltkrieg umgesetzt. Foto: Schwarzwälder-Bote

Bisinger Siedlung "Hohenlaien" entstand vor 65 Jahren / Baden-Württemberg verfolgte ländliches Siedlungsprogramm für Kriegsflüchtlinge

Von Jörg Wahl

Bisingen. Vor 65 Jahren entstand die neu angelegte Bisinger Siedlung "Hohenlaien." Das damals junge Land Baden-Württemberg verfolgte schon frühzeitig ein ländliches Siedlungsbauprogramm für Flüchtlinge aus dem Zweiten Weltkrieg.

In der Nachkriegszeit waren die Verwaltungen bestrebt, Neuansiedler möglichst nicht in Massenquartieren in den noch kaum aufgebauten Großstädten unterzubringen, sondern in kleinen Einheiten auf dem Land zu verteilen.

Im Zuge dieser Maßnahme entstand auch in Bisingen die "Siedlung." Einige Familien wurden zunächst in Sammellagern oder den Holzbarracken am Ortsrand von Bisingen, die Jahre zuvor der Unterkunft der Flugplatzsoldaten gedient hatten, untergebracht.

Verwaltung gefragt

Viele damals im Ort aufgenommene Heimatvertriebene errichteten in der Siedlung ihre Wohnhäuser. Deswegen deuten bis heute noch die Straßennamen auf die Siedler: Schlesier-, Danziger-, Franzfelderstraße, Banater Weg oder Sudetenstraße heißt es hier.

Eine markante Aufnahme beim Heimatverein Bisingen zeigt, dass zwischen Ortschaft und Siedlung anfangs noch ein Stück Grünfläche und Ackerland bestand. Sowohl die Bisinger als auch die Ende der 40er- und Anfang der 50er- Jahre des vergangenen Jahrhunderts eingetroffenen Vertriebenen wussten nicht, was die Zukunft bringen und wie sich das Zusammenleben auswirken sollte.

Durch unbekannte Lebensgewohnheiten der Neuankömmlinge kamen die bisher eher ruhigeren Verhältnisse ein wenig durcheinander. Auch Probleme blieben nicht aus.

Um diese zu bewältigen, waren vorwiegend die Gemeindeverwaltungen gefragt. Die Angestellten der Rathäuser jener Zeit erwiesen sich als Schlüsselorte der politischen Praxis, an denen der Neubeginn tatsächlich stattfand und an denen man mit viel Pragmatik den Schwierigkeiten trotzte. Rückblickend gesehen ist damals alles gut verlaufen. Zahlreiche Ehen wurden zwischen Einheimischen und Neuankömmlichen geschlossen, viele Familien gegründet.

Bürgermeister waren bei der Quartiersuche gefordert

Fördermittel und sozialer Wohnungsbau standen damals im Mittelpunkt. Das Aussehen der neuen Wohngebäude orientierte sich an der Wohnhausgestalt der neuen Vorortsiedlungen, anfangs noch zweigeschossig, später oftmals nur eingeschossig, geordnet in Reihenhausbauweise, massiv gemauert, verputzt sowie mit Balkon und Terrasse. Ein Badezimmer war eine Selbstverständigkeit. Trotz zumeist größerer Kinderzahl war auch für die Großeltern noch Platz vorhanden. Bürgermeister und Gemeinderat waren gefordert mit Quartiersuche, Lebensmittelversorgung, Hausrat, Bekleidung bis hin zur Suche nach einem Arbeitsplatz für die Neubürger. Hinzu kam der Ausbau der vorhandenen Infrastruktur.

Die täglichen Begegnungen von Alt- und Neubürgern spielten sich an zentralen Orten wie Schule, Rathaus, Kirche, Molke, Wirtshäusern und Ladengeschäften ab. Auch Tanzveranstaltungen bei Vereinsfesten – zunächst auf dem ehemaligen Flugplatzgelände, später auf der Reute am Ende der Bahnhofstraße – boten Raum für Zusammenkünfte.