Heimatgeschichte: Gemeinderat entschied sich statt Neubau für Umbau / Bürgermeister hatte Dienstwohnung

Am 15. August 1936 gab es in Bisingen etwas Besonderes zu feiern: Die Eröffnung des Rathauses. Am Gebäude wurden aber auch später noch einige Veränderungen vorgenommen.

Bisingen. Auf den Tag genau vor 80 Jahren fand in Bisingen die feierliche und offizielle Einweihung des Rathauses in der Heidelbergstraße 9 statt. Dem Festzug am Nachmittag vom vormaligen Rathaus in der Klingenbachstraße (heute steht dort die Praxis Reha-Fit von Katharina Willing) bis zur neuen Platzierung schloss sich der Festakt mit Schlüsselübergabe an. Am Abend traf sich die Öffentlichkeit zum Festabend im Zollersaal des Gasthauses Hohenzollern, wo ein buntes Programm für die Einwohner ablief.

Am nächsten Tag formierte sich ein Festzug von der Thanheimerstraße bis hin zum alten Sportplatz Reute, wo das Kinderfest stattfand. Der Musikverein spielte zur Unterhaltung und zum Tanz und auf der Sportplatztribüne fand ein weiterer bunter Abend statt. Neben zahlreichen auswärtigen Ehrengästen waren auch die hiesigen Fabrikanten Heinrich Maute, Wilhelm Müller, Georg Kress, Wilhelm Vogt und Josef Beck eingeladen, wie auch die Beiratsmitglieder aus Bisingen.

1923 stand der Gemeinde Bisingen mit Wilhelm Hermann erstmals ein Fachbürgermeister vor. Dieser fand allerdings ein Rathaus vor, das sowohl in seinem Innern wie auch nach Außen nicht mehr gut aussah und in keiner Weise den Erfordernissen einer Gemeinde von der Größe Bisingens entsprach. Spätestens 1934, als Hugo Maier zum Gemeindeoberhaupt gewählt wurde, stellte sich erneut dringen die Frage zur Lösung des Rathausproblems. Entgegen dem zunächst gewünschten Neubau für 65 000 Reichsmark entschied sich der Bisinger Gemeinderat für den Umbau des bisher als Kinderhaus genutzten Gebäudes am Fuße des Heidelbergs.

Selbst Einwände aus der Gemeinde, weil das neue Rathaus nicht mehr in der Ortsmitte liege, änderten nichts daran. Interessant ist, dass dieses favorisierte Gebäude mit der Hausnummer 262 im Jahr 1899 durch private Hand als Fabrikanwesen erstellt wurde.

1913 wurde darin die "Hohenzollerische Wäschefabrik" gegründet, welcher allerdings nur eine kurze Lebensdauer beschieden war. Seit 1930 ist das Gebäude in Gemeindeeigentum. Schwesternstation und Kindergarten waren dort untergebracht. Ein großer Vorgarten, vor allem ein Baumgarten hinter dem Gebäude, zählten zum Erwerbsgrundstück.

In Verbindung mit den Umbaumaßnahmen 1934 musste zudem auch eine Zentralheizung in das Gebäude eingebaut werden, ebenso ein Kohlenlagerraum sowie eine neue Waschküche. Das Erdgeschoss diente fortan für die Verwaltung einschließlich der Gemeindekasse. Bis 1934 erledigte der Gemeinderechner seine anfallenden Aufgaben noch in seiner Privatwohnung.

Der Sitzungssaal für den Gemeinderat wurde zugleich als Trauzimmer benutzt und im Obergeschoss untergebracht. Ebenso befand sich seinerzeit noch die Dienstwohnung des Bürgermeisters im Obergeschoss. Um dem Charakter des Rathauses Ausdruck zu verleihen, wurden ein Dachreiter aufgebaut sowie die straßenseitige Giebelspitze abgewalmt. Die planerische Gestaltung übernahm der Architekt und zugleich ersten Beigeordnete Lukas Schell.

Die Umbaukosten beliefen sich auf runde 18 000 Reichsmark. Der neuen Zweckbestimmung des Hauses entsprechend erfuhren auch die Grundrissanlagen eine Änderung. Im Untergeschoss, in dem nur ein niederer Keller war, wurde eine vollkommene Unterkellerung vorgenommen. Nach dem Krieg in den 50er Jahren wurden an die Gemeindekasse zwei Dienstzimmer für die Gemeindepflege nach Westen hin, also in den großen Baumgarten hinein, angebaut. Außerdem war der Polizeiposten dort untergebracht.

Nach mehreren Jahren genügte auch dies nicht mehr und so folgte ein Anbau, wieder nach Westen. Der Anbau wurde aufgestockt und ein völlig neuer großer Sitzungssaal für das inzwischen stark angewachsene Gemeindeparlament geschaffen. Nach und nach fanden weitere Umgestaltungen statt.

Heute stellt sich in Bisingen die Frage, ob das Rathaus für die heutigen Anforderungen aus ästhetischer Sicht noch zeitgemäß ist. Manch einer äußerte schon, auf dem großen Maute-Areal eine zukunftsweisende Gesamtlösung anzustreben, wo dann Rathaus, Feuerwehrhaus und vieles mehr der aufstrebenden Gemeinde zur Verfügung stünden. Aber dieser Wunsch bleibt Zukunftsmusik, nicht zuletzt deshalb, weil das Maute-Gelände sich bislang immer noch in privater Hand befindet, ganz abgesehen von den Kosten.