In Sicherheit: Mohammed Antar und seine Frau Rima Tabab mit ihrem vierjährigen Sohn Zin im Kinderzimmer. Viele Bisinger halfen ihnen mit Möbeln, Wäsche, Kinderspielzeug, Geschirr. Foto: Rapthel-Kieser

Familie aus Syrien fühlt sich gut aufgenommen in der Gemeinde. Aus dem Ort kommt viel Hilfe.

Bisingen - "Madam, Sie leben in einem Land, in dem sie frei sprechen können. Das müssen sie ganz hoch schätzen." Der 39-Jährige Mohammed Nour el Din Antar spricht respektvoll über Deutschland. Er und seine Frau Rima Tabab und die Söhne Jad, Zin und Karm sind die erste syrische Flüchtlingsfamilie, die in Bisingen angekommen ist. Und sie fühlen sich gut aufgenommen in der Gemeinde.

Seit November wohnt die Familie in einer Zweizimmerwohnung in der Hauptstraße und versucht, ein neues Leben aufzubauen. Bürgerkrieg, Folter und Flucht liegen hinter ihnen. Und hier im beschaulichen Bisingen, in dem die Menschen ihn mit offenen Armen aufgenommen haben und "ganz wunderbar" waren, hier traut sich Antar auch wieder zu sprechen. Der 39-Jährige ist Chefkoch, hatte in Syrien sein eigenes Restaurant und war wohl das, was in Damaskus als durchaus wohlhabend gilt.

Antar liest viel. Seine Frau hat er in der Bibliothek kennengelernt. Er hat viel im Ausland gearbeitet, hört gern Beethoven, ist offen für andere Kulturen. In der Gegend um Damaskus gehören dem Ehepaar zwei Häuser, Antar hatte einen guten Job, ein Auto. Seine Frau Rima Tabab arbeitete als Französischlehrerin. "Wir haben alles verloren", sagt der 39-Jährige jetzt.

Weil er an den Demonstrationen gegen das Assad-Regime teilnahm, geriet er in den Fokus der staatlichen Sicherheitspolizei. "Sie kamen morgens um vier, traten die Tür ein und holten mich aus dem Bett", berichtet er in gebrochenem Englisch. Die Befrager seien nicht zimperlich gewesen und hätten ihm vorgeworfen: "Du hast doch alles, nichts fehlt Dir. Warum stellst Du Dich gegen Assad?" Antar sieht es anders: "Ich habe nichts falsch gemacht, nur demonstriert." Freedom, das Wort Freiheit, fällt immer wieder, wenn er von Syrien redet und das, was er sich für sein Heimatland wünscht.

Nach der ersten Verhaftung musste er eine Woche im Gefängnis bleiben. Seine Frau Rima hätte 1000 Dollar bezahlt und frei bekommen. Antar versteckte sich bei Familienmitgliedern, Freunden und Verwandten, schlief mal hier, mal da und – ging trotzdem regelmäßig zu den Demonstrationen. Wenn die Demonstranten die Sicherheitstruppen gesehen hätten, seien sie gerannt, erzählt er. Einmal rannten sie zu spät. Er habe erlebt, wie mit Maschinengewehren in die Menge geschossen wurde.

Im Juni 2012 wurde der 39-Jährige erneut verhaftet und in ein Gefängnis unter einen Militärflughafen gebracht. "Sie wollten, dass ich unterschreibe, dass ich ein Verräter bin, dass ich für die USA arbeite und für Großbritannien", berichtet er. Er sei mit Elektroschocks an den Fingern gequält worden, stundenlang kopfüber aufgehängt. Er schüttelt den Kopf. "Irgendwann hab ich Gott darum gebeten, dass ich sterben darf", sagt er dann. Seiner Frau Rima sei es gelungen, ihren Mann lebend aus dem Gefängnis zu holen. Ihren Goldschmuck habe sie verkauft, Geld bei Verwandten locker gemacht. 8000 Dollar bezahlte sie diesmal.

Obwohl seine Frau schwanger war, beschloss die Familie zu fliehen. Mit zwei Kindern, wenig Gepäck und ihren letzten Geldreserven. Als sie die Grenze heimlich übertraten, seien sie beschossen worden. Der kleine Jad, damals sieben Jahre alt, fiel hin und brach sich die Hand. Aber irgendwann seien sie angekommen in einem Flüchtlingslager nahe der syrischen Grenze. Für die Behandlung des Jungen mussten sie 300 Dollar bezahlen. Ihr drittes Kind, Karm, wurde in einem Flüchtlingslager geboren. Babynahrung sei kaum zu bekommen in den Lagern. Die Verhältnisse dort, so sagt Antar, seien menschenunwürdig. Die Zweizimmerwohnung, die ihnen die Gemeinde Bisingen zur Verfügung gestellt hat, erscheine ihnen wie ein Paradies. Und wenn Rima Taba und Mohammed Antar von Gabriele Rogowski reden, sagen sie immer: "Unser Engel". Rogowski arbeitet für den Caritasverband im Dekanat Zollern und hat die syrische Familie vom ersten Tag an betreut. Und viele Bisinger helfen. Mit Möbeln, Wäsche, Kinderspielzeug, Geschirr. Die Kinder sind inzwischen in der Schule und im Kindergarten und lernen Deutsch. Zin, der Vierjährige, bringe immer mal wieder deutsche Redewendungen mit nach Hause, die die Eltern dann mitlernen können.

Rima und Mohammed Antar machen den Sprachkurs noch am Computer, aber ab März kann der 39-Jährige in Hechingen einen Deutschkurs besuchen. "Ich bin wirklich sehr, sehr dankbar für die große Hilfe und die Unterstützung", sagt er. "Aber ich möchte arbeiten, ich möchte nicht länger fremdes Geld annehmen müssen." Gabriele Rogowski hätte sogar schon einen Job für ihn gehabt. Aber da das Anerkennungsverfahren noch läuft, muss sich Antar gedulden. Erst nach neun Monaten darf er arbeiten.

Das hat ihn nicht gehindert, die Schulkinder in Bisingen schon mal zu bekochen. Beim syrischen Abend gab es in der Klasse seines Sohnes Jad Leckereien aus dem Nahen Osten. Und viele freundliche, zwischenmenschliche Begegnungen. "Aber wir dürfen Syrien nicht vergessen", sagt Mohammed Antar. Seine Erfahrungen hat er aufgeschrieben, Namen von Folterern und Orte benannt und an Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder die Internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte weiter gegeben. Dass Syrien irgendwann einmal keine Diktatur mehr ist, sondern ein freies, demokratisches Land, das, so sagt Antar, "ist mein Traum".