Geschichte: Küferausbildung nach dem Zweiten Weltkrieg / Ohrfeigen waren damals keine Seltenheit

Bisingen-Thanheim. Wieder einmal war der Heimatverein Thanheim unterwegs, um interessante Geschichten aus längst vergangenen Zeiten zu erkunden und festzuhalten. Diesmal war man zu Gast bei dem 85-jährigen Thanheimer Ulrich Beck, der als 15-jähriger Bub gleich nach dem 2. Weltkrieg beim damaligen Thanheimer Küfermeister Karl Magnus Dehner das seinerzeit sehr wichtige Küferhandwerk in einer dreijährigen Lehre erlernte.

Karl Magnus Dehner war der Großvater von Alwine Lacher und Heinz Buckenmaier, dem früheren bekannten Thanheimer Zimmermann. Der Standort seiner Küferwerkstätte war an der Straße nach Onstmettingen oberhalb der Gaststätte Traube.

Wie hat damals die Lehre zum Küfer ausgesehen?

Als damals einziger Lehrling bei meinem Küfermeister begann ich meine Lehrzeit am 5. Januar 1946. Ich musste wöchentlich 48 Stunden arbeiten. Gearbeitet wurde damals auch an Samstagen. Selbst an Heiligabend musste ich bis 17 Uhr arbeiten. Mein Lehrlingslohn war natürlich kärglich und betrug im 1. Lehrjahr eine Reichsmark in der Woche. Zudem war mein Chef ein strenger Lehrherr, denn ich kann mich an viele Ohrfeigen erinnern. Das war damals nicht unüblich, wenn man trotz der praktischen Anleitungen einen Fehler machte.

Wo sind Sie damals zur Lehre gegangen?

Die Theorie des Küferhandwerks erlernte ich in der damaligen Gewerbeschule Hechingen, wo alle Schüler zusammengefasst waren, die einen Holzberuf erlernen wollten. In unserer Werkstätte waren zwar die wichtigsten Werkzeuge für das Küferhandwerk vorhanden, insgesamt war es aber eher eine ärmliche Einrichtung.

Was hat ein Küfer alles hergestellt?

Wir hatten jede Menge Arbeit, denn das Küferhandwerk war gleich nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Blütezeit, denn die Produkte des Küfers aus Holz waren in vielen Lebensbereichen unumgänglich. Wir fertigten auf Bestellung viele Mostfässer, aber auch Badekübel und Badewannen, sogar kleine Kinderbadwännle, Wäschezuber, Getränkekübel fürs Vieh, Melkeimer und große Güllefässer und verwendeten dabei ausschließlich gutes Eichenholz. Nur für Butterfässer verwandten wir Fichtenholz. ganz wichtig für Mostfässer, der Zapfhahn (Spunt).

Gab es ein Produkt, dass besonders beliebt war?

Ein ganz wichtiges Produkt, das wir auch oft herstellen mussten, war ein Fass zum Weißkraut einlegen, die sogenannte Krautstande. Wenn jemand vor 70 Jahren nämlich Sauerkraut essen wollte, musste er es selber machen und so hatte fast jede Familie im Dorf eine solche Krautstande aus Eichenholz. Da früher außerdem fast jede Familie noch Landwirtschaft betrieb, waren auch die großen Güllefässer mit einem Dreh-Hahn und einer Spritzvorrichtung wichtig, mit denen man die Gülle auf die Äcker und Felder zur Düngung fahren konnte.

In Thanheim gibt es den Gewann-Namen "Küfersweiher". Was hat es mit diesem auf sich?

Also diesen Namen "Küfersweiher" hat es bestimmt schon ein paar Jahrhunderte gegeben. Der Name benennt ein sumpfiges Gebiet auf Thanheimer Gemarkung unterhalb des Heiligen Kopfes, einem unserer höchsten Albberge. In diesem Sumpfgebiet wuchs eine besondere Art von Rohrschilf, die der Küfer für die Abdichtung der Fass-Nut brauchte. Ich selbst bin öfters auf beschwerlichen Wegen durch den Wald dort gewesen und habe ein Büschel mit bis zu 1,5 m langem Rohrschilf geschnitten und auf dem Buckel zurück ins Tal zur Küferwerkstätte getragen.

Hat es in Thanheim nur diese eine Küferwerkstätte gegeben?

Vor dem Zweiten Weltkrieg hat es noch einen weiteren Küfer in Thanheim gegeben, nämlich den Küfer Peter Sickinger. Der hatte seine Werkstätte in der Ebersbergstraße im Haus, das heute sein Sohn Karlheinz Fecker bewohnt. Dieser Küfer Peter war der Uropa des Thanheimer Kirchenchor-Dirigenten Walter Kästle. Als ich die Küferlehre beim Karl Magnus Dehner begann, war der Küfer Peter allerdings schon in Rente. Bei den beiden Thanheimer Küfern gab es noch eine traurige Parallele. Beide hatten Söhne, die auch das Küferhandwerk erlernt hatten und dann leider in den Weltkriegen gefallen sind.

Wie lange hat die Küferwerkstätte in Thanheim noch bestanden?

Also ich erinnere mich nur noch an einen weiteren Lehrling von Karl Magnus Dehner nach mir und dann war Schluss. Nach und nach wurden immer mehr Dinge aus Plastik hergestellt und die Aufträge des Küfers gingen sehr stark zurück, sodass auch mein Chef mit 74 Jahren 1954 aufhören musste. Lediglich in den Weingebieten waren Holzfässer noch sehr gefragt. Ich selbst habe dann noch eine Zeitlang in Mössingen in einer Fassfabrik gearbeitet, wo wir ausschließlich Bierfässer herstellten, die fast alle nach Amerika gingen.

Gab es sonst noch Begebenheiten, die erwähnenswert sind?

Ja, neben dem vielen Schaffen ist mir in Erinnerung geblieben, dass ich meinem Chef auch bei seiner Landwirtschaft helfen musste, obwohl mein Vater selbst auch eine Landwirtschaft betrieb. Und dann hat mir mein Vater vom Küfer Peter mal eine Anekdote erzählt, wie der schlaue Küfer zu Arbeitsaufträgen kam. Als die Leute Fässer zu ihm gebracht haben, um sie reparieren zu lassen, Küfer Peter darin aber keinen großen Verdienst sah, habe er kurzerhand die Fässer über den Gartenzaun auf die drei Meter tiefergelegene Straße geworfen, so dass diese zerbrachen. So brauchten die Leute neue Fässer und der Küfer verdiente mehr daran.

 Die Fragen stellte Gerhard Dehner