Otto Lueg, geboren 1887, war Bisingens letzter Dorfbüttel und personifizierter Vorgänger des Nachrichtenblatts. Er überbrachte Nachrichten aus der Gemeinde. Foto: Archiv Heimatverein Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Der letzte Dorfbüttel Otto Lueg informierte die Bisinger über Neuigkeiten

Teils Nachrichtensprecher, teil Ordnungshüter: Der Bisinger Otto Lueg war der letzte Büttel im Ort und ist bis heute eine Legende. Er informierte die Bisinger Bevölkerung über Neuigkeiten aus der Gemeinde.

Bisingen. Der Büttel Otto Lueg, geboren 1887, ist ein Teil Bisinger Ortsgeschichte. Im Archiv des Heimatvereins ist sein Werdegang für die Nachwelt hinterlegt. Teils war er Nachrichtensprecher und teils Ordnungshüter. Mit seinen Bekanntmachungen war er Vorgänger der Medienwelt.

Zweimal täglich verkündete der Büttel seine Nachrichten

Über das Internet kann heute jeder Verein seine aktuellen Termine mitteilen, jede Gemeinde hat ihr eigenes Mitteilungsblatt. Doch vor einigen Jahrzehnten sah die Lage noch ganz anders aus. In regelmäßigen Abständen erklang im Flecken die unüberhörbare Schelle. Die Bürger warteten schon mit Spannung auf die neuesten Nachrichten. "Er sorgte für Recht und Ordnung", berichtet Thekla Schellinger, die von 1956 bis 1968 die Molkerei in Bisingen betrieb und sich noch gut an Otto Lueg erinnert. Bedingt durch seinen westfälischen Dialekt sei es oftmals schwer gewesen ihn zu verstehen. Trotz allem – oder auch gerade deshalb – war der Büttel, oder auch Ausscheller genannt, eine Legende. Neben den Anschlagtafeln war der Schellenruf bis zur Einführung des Nachrichtenblattes im Jahr 1956 das Instrument der Bisinger Gemeindeverwaltung zur Übermittlung der amtlichen Bekanntmachungen an die Öffentlichkeit.

Otto Lueg starb erst kurz vor seinem 91. Geburtstag im Jahr 1978. Größtenteils in den 1940er- und 1950er-Jahren war er in Bisingen unterwegs. Stets habe er lustige Sprüche und Weisheiten parat gehabt, weiß Hildegard Schell noch.

Aufgewachsen ist Lueg im westfälischen Höchsten, in der Nähe von Hörde. Dort verbrachte er seine Kindheit und Schulzeit und erlernte das Schlosserhandwerk. Im Ersten Weltkrieg erlitt Otto Lueg zwei starke Verwundungen und wurde zum Unteroffizier befördert. Nach seiner Kriegsrückkehr 1918 lernte er die aus Bisingen stammende Katharina Hausch kennen und die beiden heirateten. 1928 zog das Ehepaar nach Bisingen.

In Bisingen galt Otto Lueg als ruhig, freundlich und bescheiden mit einem umfangreichen Wissen. Noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er von der Gemeinde als Nachtpolizei eingesetzt. Mit Kriegsbeginn kamen ihm auch unangenehme und undankbare Aufgaben zuteil. Er war es, der die Stellungsbefehle zustellen und später waren die Gefallenenmeldungen an die Hinterbliebenen überbringen musste. Bei Überflügen und Bombardierungen feindlicher Fliegerverbände musste er prüfen, ob alle Einwohner ihre Lichter gelöscht hatten.

Amtliche Mitteilungen gab es wie sie anfielen und jeweils vormittags gegen 10 Uhr und nachmittags um 16 Uhr. "Bekanntmachung: Heute wird eine geschlachtete Kuh verkauft auf der Freibank", konnte eine seiner Meldungen lauten, oder er vermeldete den Termin zur Hauptversammlung eines Vereins.

Nebenher betrieb Lueg mit seiner Frau eine kleine Landwirtschaft

Als Büttel stand Otto Lueg andererseits auf der sozialen Leiter ziemlich weit unten. Seine Dienstleistungen erledigte er oftmals unentgeltlich oder aber gegen geringe Entlohnung. Deshalb betrieb er mit seiner Frau zusätzlich eine kleine Landwirtschaft. Wohnhaft war das Ehepaar in der Schmalzgasse und nach dem Tod seiner Frau verbrachte er sein Rentnerleben in der Steinhofenerstraße 33. Das Haus steht heute noch. Noch im hohen Alter half Otto Lueg im Gasthaus Rose bei der Küchenarbeit mit und unterstützte die Wirtsleute. In Bisingen hat er als dörflicher Nachrichtendienst ein Stück Ortsgeschichte geschrieben.