Für Mensch und Tier eine beschwerliche Reise: Die Bisingerin Angela Stöck war mittendrin bei der Transhumaz in Südtirol. Foto: privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Natur: Bisingerin als Schaftreiberin bei der Transhumanz vom Schnalstal in Südtirol ins Ötztal

Von Jörg Wahl

Der mühsame Marsch von Mensch und Tier über den Alpenhauptkamm ist im Schnalstal eine jahrhundertealte Tradition. Angela Stöck hat sich der Herausforderung gestellt und kehrte mit unvergesslichen Eindrücken zurück.

Bisingen/Südtirol. Ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Im Urlaub am Tommelehof in Völs am Schlern in Südtirol durfte die Bisingerin Angela Stöck an einer Alpenüberquerung teilnehmen. Sie erlebte Land, Leute und Natur pur und ist mit Recht ein wenig stolz auf das Vollbrachte.

Trotz immenser Anstrengung und Müdigkeit würde Stöck diesen strapazierenden Marsch jederzeit wieder wagen. Nächstes Mal jedoch mit Steigeisen an den Bergstiefeln. Für ihre Ausdauer hat Angela Stöck zwei Wochen im Voraus gearbeitet. Mit Joggen auf der schwäbischen Alb hat sie ihre Fitness erhöht.

Die Schnalstaler Bauern ziehen seit jeher im Monat Juni mit ihren Schafen zu ihren Weidegründen ins Venter Tal im hinteren Ötztal (Österreich). Dabei legen die Tiere und ihre Begleiter einen langen und beschwerlichen Marsch über Schneefelder und steile Fels- und Eisrinnen zurück. Alleine die Tiere satt zu bekommen war stets ein Problem. Die steilen Almen des Schnalstals sind mager. Darum wagten die Bergbauern irgendwann den Gewaltmarsch über den Alpenhauptkamm Richtung Norden.

Gestartet wurde mit den rund 2000 Schafen in "Vernagt" in 1700 Meter Höhe. Im Vorfeld wurden die geländegängigen Schafe je nach Muskulatur und Alter in drei Kategorien eingeteilt und auch farblich je nach Zugehörigkeit zum Bergbauern markiert. Die "stärkste" Gruppe startete frühmorgens noch vor Tagesbeginn um 4 Uhr. Dieser Teil der Herde ebnete den Weg durch Schnee und Eis in den höheren Lagen.

Der zweiten Gruppe um 5 Uhr mit nur 5 Treibern schloss sich dann auch Angela Stöck an. Ausgerüstet mit einem zwölf Kilogramm schweren Rucksack, Top-Ausrüstung und einem Treiberstock meisterte sie die rund 30 Kilometer lange Alpenüberquerung, teils in über 3 000 Höhenmetern und war so 13 Stunden unterwegs. Nur zwei kurze Pausen gab es zwischendurch.

"Am Ende war ich fertig wie’s Messer", erzählt Angela Stöck. Es sei eine Knochenarbeit, für Außenstehende unvorstellbar. Nicht zuletzt auch deshalb, weil nur ein Hund dabei war und dieser nicht viel taugte. Die Arbeit der Hunde musste so letztendlich von den Treibern übernommen werden. Anfangs über die Felder zerstreuten sich die Schafe, mussten zusammengetrieben werden. Zwischendurch wurden Lämmer geboren und die Herde vergrößerte sich.

Links und rechts steile Felsenhänge, alle tappten hintereinander drein, ein Fehltritt durfte nicht vorkommen. Ein Lamm sei abgestürzt, konnte sich allerdings selbst wieder retten und sich der nächsten Gruppe anschließen.

Für die Bisingerin war es sehr abenteuerlich, zum Teil auch gefährlich, von kleinen Ängsten wegen Lawinengefahr ganz zu schweigen. Letztlich erhielt Stöck ein dickes Lob von einem Treiber ausgesprochen, was eigentlich eher selten sei. Einen Tag Urlaub gönnte sie sich nach diesen Srapazen, bevor sie die Heimreise nach Bisingen antrat.

Weitere Informationen: Am Dienstag, 2. August, wird um 21 Uhr im ZDF über die Transhumanz berichtet.

Der archaische Brauch des Schafübertriebs im Schnalstal ist Teil des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes. Als einziger Schafübertrieb der Welt führt er gleichzeitig über einen Gletscher und eine Ländergrenze. Dass die Routen der Schaftriebe schon seit mindestens 6 000 Jahren genutzt werden, gilt heute als belegt. Auch der Fund des Ötzis am Tisenjoch, das in der Nähe des Niederjochs liegt, kann in diesem Zusammenhang gesehen werden. Aus dem Jahr 1415 stammt ein das Niedertal betreffender Weiderechtsvertrag. Im Oktober 2011 wurde die Tradition unter der Bezeichnung Transhumanz – Schafwandertriebe in den Ötztaler Alpen von der Österreichischen UNESCO-Kommission in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Als Begründung wurde dabei neben der ökologischen vor allem die kulturelle Bedeutung genannt, die sich in grenzüberschreitenden Ritualen und Bräuchen vollzieht.