Maurice Ernst von Bilderbuch singt im Wizemann vor und von Turnschuhen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das kleine bisschen Größenwahn: Die österreichische Band Bilderbuch hat im ausverkauften Wizemann in Stuttgart gespielt.

Stuttgart - Es ist ein eindrucksvolles Bild, als vor dem zweiten Song der Vorhang hinter der Band fällt und sehr viele weiße Turnschuhe im Hintergrund hängen. „Sneakers 4 free“ singt Maurice Ernst und das Publikum stimmt ein. Das Konzert von Bilderbuch am Sonntagabend im Wizemann ist schon sehr nah dran am perfekten Happening: Es ist eine ausgereifte Inszenierung; die vier sind gute Stimmungsmacher und haben viele tolle Songs.

Ein kleines bisschen Größenwahn steht Popstars immer gut zu Gesicht. Die Gruppe Bilderbuch hat ordentlich viel davon. Ein gutes Beispiel ist das Video zu dem Song „Bungalow“, in dem sich Sänger Maurice Ernst halbnackert und ölig glänzend an einer goldenen Stange räkelt. „Magic Life“, das Album, das den Titel von einem All-inclusive-Cluburlaub-Anbieter geliehen hat, hat die Buben von Bilderbuch endgültig in die vorderen Reihen der Bands katapultiert, auf die sich alle einigen können. In Stuttgart haben sie in den vergangenen Jahren mal in den Wagenhallen, im Sommer 2016 im Wizemann gespielt, stets vor vollem Haus. „Ausverkauft“ steht jetzt auch wieder hinter der Mehrzahl der Konzerte, die die Combo derzeit in Deutschland und Österreich gibt. Auch im Stuttgarter Wizemann sind die 1300 Karten längst weg. Ernst steht mit seinen überkandidelten Bewegungen natürlich im Mittelpunkt des Geschehens mit ausgefeilter Lichtshow, Gospel-Background, lauten Gitarren und viel Vocoder-verzerrtem Gesang. Gut gelegen kommt dem Sänger, dass ein Schild am Eingang den Weg zum „Jesustreff“ leitet, der zugleich im kleineren Club stattfindet. „Wie heißen die Jünger von Jesus?“, fragt der blondierte Bub auf der Bühne und liefert die Antwort mit dem Lied „Gigolo“. Vor allem das Zusammenspiel zwischen dem Sänger, der den Prediger gibt und dem Gitarristen ist beachtlich.

Bilderbuch passt am besten zu Prosecco auf Eis

Es macht jede Menge Spaß hier zuzuschauen und zuzuhören bei der Musik, die gern Austropop genannt wird, weil es eben Popmusik aus Österreich ist. In diesem Fahrwasser wurden einige Bands hochgespült: Wanda, der Nino aus Wien oder Voodoo Jürgens etwa. Und wenn Wanda Musik für Bierdosenseligkeit ist, dann ist Bilderbuch passend zu Prosecco auf Eis. Es bitzelt und prickelt – und passt eben nicht zu jedem Anlass. Das Schöne an ihrer Musik: Sie ist kein bisschen retro, obwohl sie so viele Querverweise liefert. Sie ist hedonistisch, sexy und avantgardistisch. Pop ohne Politik und ohne Gefühlsduseligkeiten. Sei‘s drum, dass man trotz des guten Sounds in der Halle nicht jedes Wort versteht, die Fans singen sowieso alles mit. Auch jedes „uhh“, „ahh“, „yeah“. Hier gibt es nur Hits und Superhits wie etwa „Baba“, „Maschin“ oder „Schick Schock“. Und zu dem Lied „Spliff“ wird Nebel in den Raum geblasen, bei „Softdrink“ singt Ernst „so much love in the air“ und formt seine Finger zu einem Herz. Ja, hier ist viel Liebe im Saal für die Protagonisten auf der Bühne. „Das ist das kleinste Konzert der ,Magic-Life’-Tour“, sagt Maurice Ernst. Man kann gespannt sein, in welcher Halle Bilderbuch beim nächsten Mal spielen.