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Sind die Deutschen in Geheimdienstfragen für die Amerikaner unsichere Kantonisten? Nach einem „Bild“-Bericht stellt der oberste Chef der US-Späher die Kooperation auf den Prüfstand - wegen der laufenden BND/NSA-Affäre um Suchbegriffe. Mehr als nur eine Drohkulisse?

Berlin - In der NSA-Spähaffäre erhöhen die US-Geheimdienste nach „Bild“-Informationen den Druck auf das Kanzleramt. US-Geheimdienstdirektor James Clapper lasse die Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) prüfen, weil auf die Deutschen beim Schutz geheimer Dokumente kein Verlass mehr sei, schreibt das Blatt (Samstag) unter Berufung auf eine als „Secret“ eingestufte Weisung.

Im Kern gehe es um die Frage, ob das Kanzleramt dem Bundestag Zehntausende Suchbegriffe (Selektoren) der National Security Agency (NSA) herausrücken darf. Diese hatte die NSA dem BND gegeben - mit dem Wunsch, Millionen abgefangener Kommunikationsdaten danach zu durchsuchen.

Ein Vertreter der US-Regierung versicherte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur am Samstag: „Wir arbeiten in allen internationalen Fragen eng mit Deutschland zusammen, und die Deutschen sind unersetzliche Partner.“

Die Zeitung hatte berichtet, die USA hätten bereits gemeinsame Projekte und geplante Kooperationen mit dem BND gestoppt. „Was die deutsche Regierung da veranstaltet, ist gefährlicher als die Snowden-Enthüllungen“, wird ein US-Geheimdienstmitarbeiter zitiert. Clapper beklage, dass geheime US-Dokumente aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Bundestags kontinuierlich an die Medien gegeben würden - was den Interessen seines Landes schade. Solange dies so sei, sollten die US-Dienste überprüfen, wo man Zusammenarbeit einschränken oder gar ganz einstellen könne.

Auf Anfrage sagte ein Berliner Regierungssprecher am Samstag: „Die Bundesregierung misst der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit den USA im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger große Bedeutung bei. Über einzelne Sachverhalte dieser Zusammenarbeit äußert sich die Bundesregierung nicht öffentlich, sondern gegenüber den zuständigen parlamentarischen Gremien.“

Das Kanzleramt steht unter massivem Druck der SPD und der Opposition, die Suchbegriffe zugänglich zu machen. Bisher heißt es dort, man warte auf Antwort aus dem Weißen Haus, ob die NSA-Selektoren dem Untersuchungsausschuss offengelegt werden dürften. Ein NSA-Sprecher sagte der Zeitung, dies sei „eine innere Angelegenheit Deutschlands“.

BND und NSA kooperieren eng miteinander

Clapper nennt laut „Bild“ auch die Option, Überwachungsmaßnahmen wie in der BND-Abhörstation Bad Aibling an andere befreundete Dienste zu übertragen. Sein Schreiben sei vor wenigen Wochen in einem internen US-Kommunikationssystem versandt worden, berichtet die Zeitung.

Der BND überwacht von Bad Aibling aus internationale Satellitenkommunikation aus Krisenregionen wie Afghanistan oder Somalia und lässt die NSA an den abgefischten Daten teilhaben. Die NSA übermittelt dazu seit 2005 Anhaltspunkte wie Handynummern oder Mail-Adressen, um die BND-Datensammlung danach durchsuchen zu lassen. Der US-Dienst nutzte die Kooperation über Jahre auch, um an Daten europäischer Ziele heranzukommen. Dies fiel beim BND mehrfach auf, unter anderem bei einer Prüfung im August 2013, bei der Tausende problematische Selektoren im aktiven Suchsystem gefunden wurden. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir wandte sich im Berliner „Tagesspiegel“ gegen das mögliche Ausweichmanöver, die NSA-Spählisten lediglich einem Sonderermittler zugänglich zu machen. „Wir machen uns nicht zum Komplizen, wenn die große Koalition versucht, das Parlament zu entmachten.“ Die gewählten Abgeordneten müssen die Listen einsehen können. „Wenn wir keinen Einblick in die Listen bekommen, werden wir vor dem Bundesverfassungsgericht klagen“, sagte Özdemir.

Derweil stoppte der Senat in Washington am Samstag das US-Gesetz zur Einschränkung der massiven Ausspähung von Amerikanern durch die NSA. Wird bis Ende Mai keine Einigung erreicht, entfällt die rechtliche Basis für einen großen Teil der NSA-Überwachungsaktivität. Zuvor hatte das Repräsentantenhaus mit überraschend klarer Mehrheit für die NSA-Reform gestimmt. Der „USA Freedom Act“ sieht vor, dass die NSA Telefon-Metadaten künftig nicht mehr selbst speichern darf. Eine Einschränkung der Späh-Aktivität im Ausland war nicht vorgesehen.