Schattenspiele am Schießstand: Simon Schempp ist derzeit gut in Schuss. Foto: AP

Simon Schempp ist in der Form seines Lebens. Drei Siege in den letzten drei Einzelrennen, Platz zwei mit der Staffel – dem Biathleten aus Uhingen gelingt derzeit (fast) alles. Auch weil er endlich ein bisschen eine „Drecksau“ ist.

Stuttgart - Mit dem Erfolg ist das so eine Sache. Er hat positive Seiten, doch ein bisschen Schatten gehört halt auch dazu. Das hat nun Willi Hahner zu spüren bekommen: Dem Vorsitzenden des Simon-Schempp-Fanclubs sind beim Weltcup in Antholz die Fanartikel ausgegangen. Keine Schals mehr, keine Autogrammkarten. „Ich habe bestimmt 100 Stück verteilt“, erzählt Hahner. Schuld am Ansturm ist nur der Erfolg, denn Simon Schempp (26) gelingt gerade ein Volltreffer nach dem anderen. „Es ist der Wahnsinn, was mit mir passiert“, sagt der Uhinger.

In Südtirol feierte der derzeit beste deutsche Biathlet nach dem Erfolg im Massenstart in Ruhpolding gleich zwei weitere Siege im Sprint und in der Verfolgung. Dann fuhr er mit der Staffel sogar noch den sechsten Podestplatz in Serie ein. Dass er dabei drei Nachlader brauchte und so die Norweger ziehen lassen musste, fiel da nicht weiter ins Gewicht. „Ihm gelingt im Moment einfach alles“, sagt Disziplin-Trainer Andreas Stitzl. Sogar der Zielsprint. In der Verfolgung siegte Schempp mit nur 0,1 Sekunden Vorsprung vor Simon Eder (Österreich).

Dabei waren die letzten Meter eigentlich immer die Schwäche des Zollwachtmeisters. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi ließ er sich im Kampf um Gold kurz vor Ende des Staffelrennens vom Russen Anton Schipulin abhängen. Nicht das erste Mal. Auch bei der Mixed-Staffel in Östersund – dem ersten Rennen in diesem Winter – ließ sich Schempp noch abfangen. Das deutsche Team landete auf Platz drei. „Ich muss in der Situation vielleicht mehr Drecksau sein“, sagte der Athlet von der Skizunft Uhingen damals und brachte seine Anhänger auf eine Idee. Als Schempp seinen Fanclub kurz vor Weihnachten besuchte, „haben wir ihm zwei Schweinchen geschenkt“, sagt Willi Hahner. Einen Frischling und einen Eber aus Stoff. Zwei Glücksbringer, die Schempp die nötige Kaltschnäuzigkeit bescheren sollen.

Welchen Anteil die Schweinchen daran haben, dass Schempp jetzt auch sprinten kann, sei dahingestellt. Klar ist: Der Uhinger hat seine Fehler analysiert. Er läuft nicht mehr nur stur mit Vollgas vorneweg, er wählt auch mal die taktische Variante. „Ich lerne natürlich dazu. Jetzt hat es zweimal super funktioniert“, sagt Schempp. Und es hat sich wieder mal gezeigt, wie wichtig der mentale Aspekt im Biathlon ist: „Im Kopf bin ich reifer geworden“, sagt Schempp, und „die Erfolge bringen eine gewisse Lockerheit“ sowie die nötige Sicherheit für das nächste Rennen.

Aber wie es mit dem Erfolg nun mal so ist – er weckt auch Erwartungen. Bis zur Weltmeisterschaft im finnischen Kontiolahti (5. bis 15. März) sind es nur noch fünf Wochen, und selbst der Franzose Martin Fourcade zählt Simon Schempp mittlerweile zu den Medaillenkandidaten. „Er schießt sehr gut und ist schnell auf den Skiern“, sagt der Doppel-Olympiasieger von 2014, „er ist ganz sicher einer der Kandidaten für die Medaillen bei der WM.“ Verrückt machen lassen will sich Schempp von solchen Aussagen nicht: „Ich glaube, ich kann das ganz gut ausblenden.“ Auch Männer-Bundestrainer Mark Kirchner will von den Titelkämpfen in Kontiolahti noch nichts wissen. „Wir haben noch zwei Weltcup-Veranstaltungen, und dann erst kommt die WM. Im Moment freuen wir uns erst einmal, dass es so gut läuft.“ Nach einer Woche Weltcup-Pause fahren die Biathleten noch nach Nove Mesto/Slowenien (6. bis 8. Februar), eine Woche später starten sie in Oslo (12. bis 15. Februar).

Sowieso sind die WM-Medaillen nicht alles, was Schempp in dieser Saison noch erreichen könnte. Denn mit seinen Erfolgen verdiente er nicht nur ein stattliches Preisgeld von 59 000 Euro, er hat nun auch Chancen auf den Gesamtweltcup. Mit 549 Punkten überholte Schempp Anton Schipulin (535) und liegt nur noch knapp hinter Martin Fourcade (572). „Ich bin super happy und werde weiter Gas geben“, sagt der deutsche Biathlet, „man darf sich auf den Erfolgen nicht auszuruhen, dann geht der Schuss gleich wieder nach hinten los.“

Und bis zur WM und zum Weltcup-Finale kann ja auch noch einiges passieren, meint auch Willi Hahner vom Schempp-Fanclub. Er hat aber dennoch schon einmal vorgesorgt und Bürgermeister Matthias Wittlinger vorgewarnt, dass in diesem Jahr wohl wieder eine große Feier für Schempp nötig sein wird. Bei dessen derzeitiger Form war das vermutlich kein Fehler.