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Stuttgart - In Deutschland infizieren sich mehr als 500.000 Menschen mit Krankheitserregern, denen Antibiotika nichts anhaben können. Bis zu 40.000 von ihnen sterben daran. Das veranlasst die Landesregierung nun zum Eingreifen.

Gesundheitsministerin Monika Stolz hält die Hygiene in Krankenhäusern und Pflegeheimen für verbesserungsfähig, vertraut dabei aber nicht nur auf den guten Willen dieser Einrichtungen. "Wir haben bisher auf die Eigenverantwortung der Kliniken gesetzt, mir ist aber wichtig, dass wir jetzt verbindlich werden", sagte die CDU-Politikerin, als sie am Mittwoch den Jahresbericht 2009 des Landesgesundheitsamts vorlegte.

Grund für das Eingreifen ist die zunehmende Verbreitung von Krankheitserregern, die gegen wichtige Antibiotika widerstandsfähig sind. Dazu zählt zum Beispiel das Bakterium Staphylococcus aureus, das für Menschen mit geschwächtem Immunsystem schwere bis tödliche Infektionen verursachen kann.


Solche sogenannten multiresistenten Erreger werden durch Patienten, Pflegekräfte und Ärzte übertragen. Laut Stolz kommt das in Deutschland häufiger vor als in anderen Staaten. Während die Resistenzrate der Patienten in Holland lediglich fünf Prozent betrage, liege sie in Deutschland bei 20 Prozent.

Obwohl die Kliniken von den Gesundheitsämtern überwacht werden, will die Ministerin nun landeseinheitliche Regeln für ein "Hygienemanagement" aufstellen. Dass häufiges Händewaschen das A und O der Hygiene sei, wüssten zwar fast alle Klinik- und Pflegemitarbeiter, die Frage sei jedoch, wie dieses Wissen umgesetzt werde.

Das, so Stolz, hänge auch von den Strukturen ab, also zum Beispiel davon, wie schnell der Erreger erkannt werde. Krankenhäuser gelten auch keineswegs als einzige Institution, in denen kranke Menschen noch kränker werden können. Ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen sind ebenso betroffen.

Stolz hält deshalb die Bildung von Netzwerken für geboten, in denen diese Risikoeinrichtungen eng zusammenarbeiten. Wie das funktionieren kann, wird derzeit in einem Pilotversuch in den Kreisen Böblingen, Heidenheim, Lörrach, Waldshut und im Enzkreis erprobt.


In Deutschland infizieren sich laut Stolz jährlich mehr als 500.000 Menschen in medizinischen Einrichtungen mit multiresistenten Erregern. Etwa 20.000 bis 40.000 Fälle enden tödlich. Exakte Zahlen liegen allerdings noch nicht vor. Die Meldepflicht für Infektionen mit dem multiresistenten Erreger Staphylococcus aureus gibt es erst seit Mitte 2009.

Dass Deutschland besonders mit dem Problem zu kämpfen hat, führt die Gesundheitsministerin auch auf einen unkritischen Umgang mit Antibiotika zurück: "Es ist unbestritten, dass wir zu großzügig mit der Antibiotikatherapie umgehen." In Holland sei die Verschreibungspraxis zurückhaltender, sagte die approbierte Ärztin.

Die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft sieht die neue Hygieneverordnung mit Skepsis. Schon jetzt gingen die Kliniken auf vielfältige Art gegen Infektionen vor. Die Techniker Krankenkasse (TK) begrüßte hingegen die Ankündigung der Ministerin. "Die Patienten haben ein Anrecht auf ein effizientes Hygienemanagement in den Kliniken, dafür stehen die Krankenhausträger in der Pflicht", sagte Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvertretung.

Nach Einschätzung von Experten sei eine optimale Händehygiene das wirksamste Mittel gegen die Ausbreitung resistenter Erreger, so Vogt. Baden-Württembergs Ärzte verschrieben allerdings im Schnitt 15 Prozent weniger Antibiotika als die Mediziner im Rest der Republik.