Bela B. trommelt und singt bei den Ärzten Foto: Promo

Die Ärzte melden sich mit dem Album „auch“ zurück. Ein Gespräch mit Dirk Felsenheimer – besser bekannt als Bela B.

Stuttgart - Sie nennen sich gerne selbst die beste Band der Welt und beweisen auf dem neuen Album „auch“, dass Die Ärzte zumindest die selbstironischste Combo des Landes sind.


Herr Felsenheimer, entschuldigen Sie, aber das muss natürlich die erste Frage sein: Ist das noch Punkrock?
Es ist der erste Song auf dem Album, da darf das auch die erste Frage bei einem Interview sein. Natürlich sind wir so Punkrock, wie wir es immer schon waren. Das heißt: Wir machen, was wir wollen. Wir leben nach dieser Maxime. Wir bewahren uns eine gewisse Political Correctness, die noch aus der Punkrock-Steinzeit übrig geblieben ist. Ich mochte den Song „Ist das noch Punkrock?“ sofort, weil es um die Liebe geht. Das ist doch romantisch, wenn es heißt: Ist das noch Punkrock, wenn dein Lieblingslied in den Charts ist? Da war ich berührt und habe dafür gestimmt, dass der Farin-Urlaub-Song auf das Album kommt.

Das geht so demokratisch zu bei Ihnen?
Ja. Ganz praktisch bei einer Drei-Mann-Band. Enthaltungen werden nicht geduldet.

Wenn man die erste Single „zeiDverschwÄndung“ hört, klingt das nicht nach Punkrock, sondern irgendwie nur noch nach Die Ärzte.
Das war schon immer so bei Die Ärzte. Wir haben uns ausprobiert – von Weltmusik über Heavy Metal bis zu Elektronik. Und das auch schon immer mit großer Liebe zum Detail, weil wir uns über die Musikstile nicht lustig machen wollen.

In dem Song heißt es, dass es Besseres zu tun gäbe, als Die Ärzte zu hören. Sind Die Ärzte nicht nur die selbst ernannte beste Band der Welt, sondern auch die selbstironischste Band Deutschlands?
Wir erfüllen alle Erwartungshaltungen einfach mal nicht. Wir raten den Fans, doch mal jüngere Musik zu hören. Selbstironie hilft auch immer, den Gegner zu entwaffnen. Auch bei den derzeit grassierenden Urheberrechtsdiskussionen im Internet, ob Kunst immer frei sein soll. Wir haben auf neue Umstände immer reagiert. Es gab aber nie einen Kopierschutz auf unseren Platten. Wir haben eine Economy-Platte herausgebracht, die wurde an einem Tag aufgenommen. Wir haben dieselben Lieder schlechter eingespielt, dafür war es auch günstiger. Mit Humor lassen sich Barrieren durchbrechen. Eine der großen Stärken der Band ist es, dass wir uns nicht so ernst nehmen.

Das Album „auch“ erscheint viereinhalb Jahre nach „Jazz ist anders“. Warum gab es die lange Pause?
Das kommt dem Fan nur so vor. Eine Band wie Die Ärzte ist inzwischen so groß, dass die Pausen eben länger sind. Wir waren nach „Jazz ist anders“ ein paar Jahre auf Tour. Uns kommt die Pause nicht lange vor. 2009 haben wir zum letzten Mal Konzerte gespielt, 2010 ging es schon wieder mit den Plänen zum neuen Album weiter. Und manchmal braucht man etwas Pause von der Band. Und Rod, Farin und Bela müssen auch mal Urlaub voneinander machen.

Es gibt das Lied „Freundschaft ist Kunst“ auf der neuen Platte. Wie groß ist die Kunst, eine Band so lange bestehen zu lassen? Immerhin wurden Die Ärzte 1982 gegründet.
Wie bei allem bei Die Ärzte gibt es keine Formel, warum das so ist. Es gab Zeiten, in denen es wirklich auf der Kippe stand. Wir haben uns nicht gut verstanden. Es gab Einzelne – mich nehme ich da nicht aus -, die in persönlichen Krisen steckten, die zum Bruch hätten führen können. Das ist in jeder Ehe so. Und ein eheähnliches Verhältnis gibt es zumindest zwischen Farin Urlaub und mir. Auch da helfen Selbstreflektion, Selbstironie und Respekt vor dem anderen. Wir sind eher so etwas wie Brüder. Wir haben Respekt davor, was wir zu dritt schaffen können. Farin und ich haben ja mit anderen Bands herausfinden müssen, dass es alleine nicht so einfach ist. Uns ist bewusst, dass wir gemeinsam etwas schaffen, das der Einzelne so in der Art nicht hinbekommt.

„Toll, wenn 9000 Frauen kreischen“


Was machen Die Ärzte richtig?
Die Leute kommen auf unsere Konzerte und sehen die drei Typen, die auch über sich selbst Witze machen. Wir sind aber kein Comedy-Act. Wir sind eine Rockband, die meiner Meinung nach immer besser wird. Als wir uns zu diesem Album das erste Mal getroffen haben, dachten wir uns nur irgendwelche Absurditäten aus. Etwa ein Konzert nur für Männer und eines nur für Frauen zu spielen. Das haben wir auch in die Tat umgesetzt. Es schwebte sogar die Idee im Raum, unter einem anderen Namen noch mal von vorne anzufangen. Immerhin ist daraus die Band Laternen Joe entstanden. Wir sind da wie Fans: Was würde uns selbst am meisten beeindrucken, überraschen etc.

Die beiden Konzerte nur für Männer und nur für Frauen waren vor Weihnachten in Dortmund. Bei welchem war die Stimmung besser?
Die Männer waren erwartungsgemäß lauter. Wir waren auch spieltechnisch irgendwie schneller. Am Frauentag haben wir über drei Stunden gespielt. Der hat mir persönlich besser gefallen. Ich bin halt ein Mann. Mir gefällt das, wenn 9000 Frauen kreischen. Man muss erwähnen, dass wir bei diesen beiden Konzerten sehr viel Minus gemacht haben, weil die Halle nicht voll war. Wir sind aber bereit einzustecken, wenn uns die Idee gefällt.

Diese Narrenfreiheit haben Sie aber auch nur, weil Sie eine eigene Plattenfirma haben und alles selbst machen.
Das war uns immer sehr wichtig, dass wir uns auf uns selbst verlassen können. Künstlerische Freiheit konnten wir auch bei allen Plattenfirmen immer durchsetzen. Alles selbst zu machen funktioniert aber nur, wenn du dein eigenes Label hast. Es gibt nur eine außenstehende Konzertagentur, die unsere Konzerte bucht, ansonsten ist alles in unserer Hand. Lustigerweise ist es die Agentur der Toten Hosen.

Apropos. Die Toten Hosen feiern auch dieser Tage ihr 30-Jahr-Jubiläum und covern den Die-Ärzte-Song „Schrei nach Liebe“.
Ich habe ihn leider noch nicht gehört. Ich warte, dass endlich aus Düsseldorf die CD zu mir kommt.

Welchen Hosen-Song würden Sie covern?
Das hat es alles schon gegeben. Auf der Bühne zumindest. Wir haben mal auf einem Festival gespielt, auf dem auch die Hosen aufgetreten sind. Wir haben als Erstes einen Hosen-Song gespielt. Da dachten die Leute, dass die auf der Bühne stehen würden. Ob wir einen Song aufnehmen würden? Ich weiß nicht. Man soll nie nie sagen.

Das heißt aber auch, dass die alte Fehde behoben ist?
Das ist längst vorbei. Ein Treffen mit den Toten Hosen ist fast schon so was wie ein Familientreffen. Ich gehe gern mal auf ein Hosen-Konzert und hänge später auch ein bisschen Backstage rum. Vom Ritchie, der Schlagzeuger der Toten Hosen, wird mit seiner neuen Nebenband Chryssis für ein paar Shows unser Supportact sein.

Es gibt immer wieder Gerüchte, dass sich Die Ärzte auflösen. Was wäre der richtige Zeitpunkt, Schluss zu machen?
Farin Urlaub hat gemeint, dass es der Moment wäre, wenn es zwischen ihm und dem Publikum keine Gemeinsamkeiten mehr gebe. Wir sind so sehr befreundet, dass wir uns das schon sagen, wenn es genug ist. Wir machen das doch auch nicht, um einfach nur Geld zu verdienen, obwohl ich natürlich demütig dankbar dafür bin, von meiner Musik leben zu können. Irgendwann kann allerdings für jeden mal der Zeitpunkt kommen, an dem man nur noch seine Vergangenheit verwaltet und mit der nostalgischen Hit-Revue auf Tournee geht. Das werden wir auf alle Fälle vermeiden. Vielleicht kommt das Ende aber auch, weil man mit Gehstützen nicht mehr rocken kann.