Zur Buchvorstellung gibt’s Hirtenhornklänge: Manfred Stingel mit rumänischem "Bucium" und Autor Eckard Böhringer mit seinem Buch "Tuba pastoritia – Das Hirtenhorn" Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder-Bote

Eckhard Böhringer stellt im Haus der Volkskunst eine umfassende Arbeit über archaisches Instrument vor

Von Gert Ungureanu

Balingen-Dürrwangen. Das Haus der Volkskunst beherbergt nicht nur das Schwäbische Kulturarchiv, sondern seit kurzem auch das Europäische Hirtenhornzentrum.

Zuzuschreiben ist das dem fleißigen Sammler Manfred Stingel, der Hirtenhörner aus aller Welt zusammengetragen hat. Aber nicht nur ihm. Wesentlich dazu beigetragen hat auch ein Mann, der mit einer Arbeit über das archaische Instrument promoviert hat: Eckhard Böhringer. Gestern stellte er seine Arbeit, die im Verlag des Schwäbischen Albvereins in Buchform erschienen ist, Freunden, Hirtenhornbläsern und Kulturräten des Schwäbischen Albvereins im Haus der Volkskunst vor. Genauer gesagt, in dem Raum, an dessen Wänden Dutzende Hirtenhörner hängen – aus Oberstdorf, Zwiesel, dem Elsass, aus Mähren, der Slowakei und den Niederlanden, aus Schweden, Litauen und Slowenien.

Deren Form ist je nach Herkunft sehr unterschiedlich, der Klang auch. Der Zweck, den die "Tuba pastoritia", so der wissenschaftliche Name des Instruments, erfüllte, war stets der gleiche: Kommunikation, Signalgebung, Warnung.

Böhringer, der so gut wie alles, was es an Dokumentation und Musikliteratur dazu gab, zusammengetragen hat, eröffnete seine Buchvorstellung – wie sonst? – mit einer Hirtenhorn-Einlage. Er erzählte, dass er vor einigen Jahren im Haus der Volkskunst Hirtenhörner gebaut hat. Damals sei hier auch eine Konfirmanden-Gruppe untergebracht gewesen. Ein junges Mädchen habe ihn gefragt, wozu man so etwas überhaupt noch baue, denn "das braucht man heute nicht mehr".

Der endgültige Anstoß kam vom Kulturratsvorsitzenden des Schwäbischen Albvereins, Manfred Stingel. "Er wollte ein Alphorn, das mit ›b‹ geschrieben wird", sagte Böhringer schmunzelnd. Der Nachweis, dass es das gab, sei geliefert. Bei seinen Nachforschungen habe er festgestellt, dass es zwar kaum Literatur über das Instrument gebe, dafür aber unzählige Variationen. Einzig das Alphorn sei bekannt gewesen, und "Schweiz und Allgäu streiten sich darum, woher es kommt". Aber das Alphorn sei "nur ein einziger Vertreter einer riesigen Familie".

In seinem Buch geht Böhringer der Frage nach, wie das Hirtenhorn, im Allgäu auch als "Schalmei" bezeichnet, gebaut wird – und kommt zu dem Schluss: "Wie der Baum gewachsen ist, und oft aus Wacholder." In Ikonografie und Kirchenmalerei habe sich das Instrument neben Schalmei und Dudelsack durchgesetzt, in Weihnachtsdarstellungen sei es häufig zu sehen, und das, was Luther als "Posaune" übersetzt habe, sei wohl auch ein Hirtenhorn, genau wie die "Posaunen der Apokalypse". Klassische Musik, die heute kaum noch gespielt würden, seien speziell für das fast vergessene Instrument geschrieben worden.

In den wenigsten Fällen habe er noch Orte finden können, an denen das Hirtenhorn tatsächlich zur Signalgebung und Kommunikation eingesetzt werde. Einzig in Rumänien, wo das Hirtenwesen "noch nicht ausgestorben" sei, werde das Hirtenhorn noch eingesetzt – etwa, um mitzuteilen, dass man jetzt heimkomme, oder um zu warnen, dass sich ein Wolfsrudel herumtreibe. Hingegen halte er die langen, musikalischen Signale aus Franken für zu schwierig und "konstruiert".

Das Titelblatt der umfangreichen Arbeit zeigt eine gusseiserne Ofentüre aus dem 19. Jahrhundert. Das Relief stellt einen Hirten dar, der ins Horn bläst – "ein junger Mann in vollem Saft, aber leicht verdruckt". Die "Ambivalenz des Hirtenberufs und des Schwaben" eben. Und ja, in der Arbeit sei das Thema nicht erschöpft. Es sei eher der Beginn einer Untersuchung.

"Es ist nicht zu Ende, es geht weiter", sagte Manfred Stingel, nahm ein Hirtenhorn und blies ein paar Signale.

Weitere Informationen: www.hirtenhorn.eu