Gretel Kommer hat das "Schaffhäs" einer Bauersfrau an und ein Obstkörbchen zur Stadtführung mitgebracht. Sie trägt den interessierten Zuhörern in Gedichtform Historisches aus Balingen vor. Foto: Fiedler Foto: Schwarzwälder-Bote

Gretel Kommer macht als historische Bauersfrau eine besondere Stadtführung und bringt Rezepte mit

Von Julius Fiedler

Balingen. Einen Stadtrundgang in Reim- und Gedichtform – das gibt’s nicht überall. Gretel Kommer hat mit Gedichtschreiberin Else Müller das in Balingen realisiert. Am Sonntag führte sie als historische Bauersfrau durch die Eyachstadt.

Im traditionellen "Schaffhäs", das die damaligen Bäuerinnen zur Haus- und Hofarbeit trugen, machte Kommer mit ihren Zuhörern eine Reise in die Vergangenheit. "Noch vieles schaffen die fleißigen Hände / doch die Arbeit ist nie zu Ende", lautet ein Vers aus den Gedichten, in denen historische Geschichten erzählt und die Zeit um das Jahr 1850 gut beschrieben werden. Schon Kinder mussten hart arbeiten, die hygienischen Bedingungen waren schlimm, etwa wenn "die Stallluft in den Kleidern hing / und in die Atemluft überging".

Doch auch damals gab es Dinge, die den Menschen gefielen und sie das Leben genießen ließen. "An den höchsten Feiertagen / gab’s Rinder- oder Schweinebraten", schilderte Kommer. Spätzle waren auch zu der Zeit schon eine Spezialität, im Wirtshaus konnte man Kegeln, Trinken und Kartenspielen.

Neben historischen Eindrücken und Fakten präsentierte Kommer Stoffe und Fotografien aus früheren Zeiten und erklärte Sprichworte, die von damals stammen: "Sein blaues Wunder erleben" beziehe sich beispielsweise auf den "Blaudruck", mit dem damals Tücher durch Oxidation weiße Muster bekamen. Rund acht Mal musste ein blaues Stück Stoff gestempelt werden, ehe es ein sauberes weißes Muster hatte. Wenn nun ein Lehrling nach dem vierten Mal aber schon skeptisch wurde, ob diese Technik tatsächlich funktioniert, sagte der Lehrmeister: "Du wirst noch dein blaues Wunder erleben."

Wie die Kartoffel in die hiesigen Lande kam, erfuhren die Zuhörer ebenfalls. Auch diese Geschichte wurde von Kommer unterhaltsam und informativ in Reimform präsentiert. Über Geschichten zur Stadt sowie das Rathaus, die Zehntscheuer oder die Sonnenuhr an der Stadtkirche wusste die "historische Bauersfrau" ebenfalls Bescheid. Eine Aktion, die in die Balinger Geschichtsbücher einging und ebenfalls erwähnt wurde, war die Verhinderung eines Verkaufs von großen Mengen von Korn ins Ausland während einer Hungersnot in der Stadt durch die "Balinger Weiber".

Vom Regierungsstil der Adligen erzählt die Entstehungsgeschichte der Sonnenuhr am Turm der Stadtkirche, die Kommer zum Besten gab. Ein wichtiger Stadtbürger wohnte im alten Landratsamt beim Zollernschloss. Seine Gattin wollte unbedingt eine Uhr sehen beim Blick aus ihrem Wohnzimmer, weshalb der Mann Philipp Matthäus Hahn, einen jungen Theologiestudenten, beauftragte, die Uhr zu installieren. So hängt sie nun seit dem Jahr 1760 dort – und wird von den Teilnehmern am Stadtrundgang von nun an sicherlich mit anderen Augen betrachtet.

Am Rathaus zeigte Kommer, wo die ehemalige Prangerbank bis zum 18. Jahrhundert stand und wo seit der Vergabe des Stadt- und Marktrechts 1255 an Balingen der Wochenmarkt seither findet. Und als "historische Bauersfrau" hatte sie noch ihre "Geheimtipps" für die Zuhörer dabei: ihre Rezepte aus der traditionellen bäuerlich-schwäbischen Küche.