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Gemeinderat entsetzt über RP-Entscheidung zum Luftreinhalteplan: "Fördert Verdruss gegenüber Verwaltungshandeln."

Balingen - Das Thema Luftreinhalteplan ist für die Balinger Stadtverwaltung und den Gemeinderat noch lange nicht erledigt. Die Entscheidung des Tübinger Regierungspräsidiums soll genau geprüft werden – dann wird beraten, ob man rechtlich dagegen vorgeht.

Obwohl absehbar, wurden die Mitglieder des Gemeinderats von der Entscheidung aus Tübingen kalt erwischt. Die Stadtverwaltung wusste bereits seit der vergangenen Woche Bescheid. Offiziell informiert wurde das Gremium am Dienstagabend im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung. Davor hatte unserer Zeitung bereits online über die Entscheidung aus Tübingen berichtet.

Die Nachricht nahmen die Gemeinderäte mit Befremden und Unverständnis auf, berichten Teilnehmer der nichtöffentlichen Sitzung. Auch die Art und Weise der Kommunikation des RP verärgert: Die Balinger Stadtverwaltung hatte die Tübinger erst in der vergangenen Woche noch darum gebeten, die Amtliche Bekanntmachung der Entscheidung um eine Woche nach hinten zu verlegen. Ebenso, den Luftreinhalteplan und damit die Umweltzone für das gesamte Stadtgebiet sowie das Tempo-30-Limit auf der Bundesstraßen-27-Ortsdurchfahrt in Endingen nicht zum 1. Januar 2017, sondern erst später in Kraft treten zu lassen. Antwort aus Tübingen: Das wird jetzt so gemacht, einen Aufschub gibt es nicht.

"So ein Vorgehen fördert natürlich den Verdruss und das Unverständnis gegenüber Verwaltungshandeln", sagte ein Mitarbeiter der Balinger Stadtverwaltung unserer Zeitung. Entsprechende Äußerungen von Lesern unserer Zeitung gab es bereits am Dienstagmittag zuhauf.

Begründung fehlt

Ebenso sind die Balinger sauer darüber, dass die Tübinger eine Begründung für den Luftreinhalteplan bislang nicht geliefert haben. Das RP will diese zu Beginn der nächsten Woche vorlegen. Besonders genau will man sich in Balingen die Abwägung der Stellungnahmen anschauen – der Gemeinderat hatte den Luftreinhalteplan samt Umweltzone und Tempolimit in Endingen mit Blick auf die damit erhofften Reduzierung der Stickoxide als "unverhältnismäßg" und "wirkungslos" mit großer Mehrheit abgelehnt. Möglicherweise werde man rechtlich gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums vorgehen, so der Tenor im Gemeinderat.

Betroffen vom Luftreinhalteplan sind neben sämtlichen Balingern auch alle, die durch Balingen – etwa auf der B 27 oder der B 463 – fahren. Eine grüne Plakette ist, Stand heute, ab 1. Januar 2017 Pflicht.

Auch die Wirtschaft befürchtet massive Folgen: Ein Sprecher der Handwerkskammer Reutlingen sagt, dass viele Unternehmen von der Tübinger Entscheidung negativ betroffen wären. Viele könnten nicht binnen eines Monats und damit quasi von heute auf morgen ihren Fuhrpark erneuern – das sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Industrie- und Handelskammer Reutlingen wiederholt, was sie bereits zu den Luftreinhalteplänen für Tübingen und Reutlingen geäußert hatte: Maßnahmen zur Luftreinhaltung sollten sich sinnvollerweise nicht allein auf den Verkehr beschränken, da es weitere Verursacher von Stickoxiden gebe. Umweltzonen entfalteten "nur bedingte Wirksamkeit".

Mit Blick auf das geplante Tempolimit in Endingen meint die IHK, dass der Verkehrsfluss unbedingt erhalten werden müsse, um nicht zusätzlich für Ausstoß zu sorgen. Ebenso fordert die Kammer, dass es Regelungen für Altfahrzeuge geben müsse: Die Zahl der "alten Stinker" sei oft deutlich höher als vermutet. Insofern müsse es Ausnahmegenehmigungen geben, "die bei Existenzbedrohung von Unternehmen gewährt werden und auch ausreichend lang sind".