Großer Aufwand für ein kleines Kunstwerk: Für ein Hühnerei sind 1000 bis 3000 Kratzer notwendig, Fotos: Werthenbach Foto: Schwarzwälder-Bote

Freizeit: Marianne Wilkens aus Balingen nutzt alte oberschlesische Technik – so entstehen wahre Kunstwerke

Wer sich an bemalten Eiern satt gesehen hat und sich zu Ostern etwas Neues wünscht, für den hat Marianne Wilkens aus Balingen einen Tipp: Sie kratzt Eier, statt sie zu bemalen. Sie hat die Technik aus ihrer Heimat in den Zollernalbkreis gebracht.

Balingen. "Kroszonki" werden die gekratzten Eier in Oberschlesien genannt, wo Wilkens geboren ist. "Das ist eine sehr alte Tradition", erklärt die 61-Jährige und erzählt von einem Brauch, nach dem die Männer am frühen Morgen des Ostermontags die Frauen und Mädchen mit Wasser begießen. Im Gegenzug erwarten die Männer ein Geschenk, das traditionell ein gekratztes Ei ist. Die Bevölkerung in Oberschlesien habe die "Kroszonki" früher auch hergestellt, um sie für einen Nebenverdienst zu verkaufen.

Jeder könne Eier kratzen, sagt Wilkens und präsentiert ihre bunten Kunstwerke in verschiedenen Größen. Die Hühner-, Puten- und Gänseeier bekomme sie direkt vom Bauernhof. Manchmal bestelle sie auch Schwanen- und Straußeneier im Internet. "Schön weiß müssen sie sein und ohne Stempel", sagt die Frau, die seit 30 Jahren mit ihrem Mann in Balingen lebt.

Im Jahr 2004 habe sie nach einer Operation nicht arbeiten können und war auf der Suche nach einer Beschäftigung. Eine gute Freundin aus der oberschlesischen Heimat habe damals schon "Eier gekratzt" – allerdings mit hart gekochten Eiern, womit Wilkens Probleme hatte: "Die sind mir immer geplatzt."

Also habe sie einen Bohrer gekauft und die Eier ausgeblasen. Dann werden sie im Backofen getrocknet und entfettet, anschließend mit Textilfarbe in einem Kochtopf mit Wasser gefärbt. "Anfangs waren die noch nicht so schön", sagt die Krankenschwester, "aber mit der Zeit wurde es besser."

Neben Textilfarbe werden zum Eierkratzen Messer benötigt. Wilkens benutzt meist eins aus einem Sägeblatt, aber auch mit alten Rasiermessern oder Teppichmessern könne man arbeiten. Nachdem die Farbe getrocknet ist, beginnt Marianne Wilkens die Motive in die Farbschicht zu kratzen. "Man kann das Ei auch mit verschiedenen Farbschichten färben." So ließen sich bunte Motive gestalten, indem man unterschiedlich tief kratze. Am Ende trage sie zum Schutz und für besseren Glanz einen klaren Lack auf die Eier.

Wer sich neu an die Kratztechnik wagt, dem empfiehlt Wilkens zunächst "einfache Motive, zum Beispiel eine Blume" zu wählen. Außerdem sei "Braun die optimale Farbe für Anfänger" – sie beruhige und sei eine Naturfarbe. Und sie rate immer, von unten nach oben zu kratzen: "Wenn sie platzen, dann unten."

Insgesamt hat Wilkens knapp 500 Eier gekratzt. Für ein Hühnerei benötige sie 1000 bis 3000 Kratzer – das entspreche etwa drei Stunden Arbeitszeit.

 Marianne Wilkens präsentiert ihre gekratzten Eier und bietet sie zum Verkauf an bis Sonntag, 2. April, auf der Haigerlocher Ostereier-Ausstellung.