Vor dem Balinger Amtsgericht ging es gestern um sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Frau und ihr Ex wegen Missbrauchs vor Gericht. Mutter leistet Beihilfe. Urteil: Bewährungsstrafen und Arbeitsstunden.

Balingen - Das Datum der Tat steht fest – weil sie am gleichen Tag geschah, als die 14-Jährige aus einem Balinger Stadtteil eine ambulante Nasen-OP gehabt hatte: Es war der 14. April 2007. Am Abend holte die Mutter das Mädchen auf Anweisung ihres Lebensgefährten ins Schlafzimmer und forderte sie auf, sich mit ins Ehebett zu legen. Der Mann streichelte Mutter und Tochter, und als die Frau schließlich das Zimmer verließ, nötigte er das Kind zum Geschlechtsverkehr.

Am Donnerstag gab es die Quittung vom Balinger Amtsgericht: ein Jahr und drei Monate für den Mann, acht Monate für die Frau wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Beide Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungsfrist beträgt drei Jahre. zudem muss der Mann 80, die Frau 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Bei der einen Tat ließ es der derzeit arbeitslose Hartz-IV-Empfänger nicht bewenden: Noch mindestens zweimal – so die Anklageschrift – suchte er das Mädchen später in dessen Zimmer auf und fasste es im Intimbereich an. Und nach einer Auseinandersetzung am 22. September 2008 stieß er es die Treppe hinunter. Die Folge: eine schwere Prellung am Knie. Auch dieses Datum steht fest, weil das Mädchen daraufhin im Zollernalb-Klinikum behandelt worden war.

Alles richtig, ließ der heute 51-Jährige durch seinen Verteidiger erklären. Er gestehe die Taten in vollem Umfang und bereue sie. Seine ehemalige Lebensgefährtin, eine heute 44-Jährige, erklärte vor Gericht, sie habe sich vor etwa zwei Jahren von dem Mann getrennt, es gebe mittlerweile eine neue Beziehung. Die Frau, die ebenfalls von Hartz IV lebt und Privatinsolvenz angemeldet hat, legte ein umfassendes Geständnis ab: Ihr Ex habe sich immer schon einen "Dreier" gewünscht. Und als er sie in der Nacht aufgefordert habe, die Tochter ins Bett zu holen, habe sie nachgegeben, weil sie befürchtete, er werde sie andernfalls verprügeln. Er sei sehr gewalttätig, obwohl man ihm das nicht ansehe. Er habe ihre beiden Kinder aus einer früheren Beziehung oft verprügelt. Nur die heute siebenjährige gemeinsame Tochter, die derzeit in einer Pflegefamilie lebt, habe alles dürfen.

In jener Nacht habe sie wohl gewusst, was er im Schilde führte. Sie habe versucht, ihn davon abzuhalten – vergebens. Dann habe sie die Tochter aufgefordert, es zuzulassen, mit den Worten: "Damit du siehst, wie schön das ist..." Als ihr Lebensgefährte aber von ihr verlangte, die Tochter auch zu streicheln, sei sie aus dem Schlafzimmer gegangen. Sie habe am Automaten Zigaretten geholt. Als sie zurückgekommen sei, habe das Mädchen im Wohnzimmer geheult. Nachdem die Tochter ausgezogen sei – sie sei jetzt verheiratet und lebe in einer Nachbarstadt –, habe sie lange Zeit keinen Kontakt zu ihr gehabt. Erst vor ein, zwei Wochen sei wieder ein Kontakt zustande gekommen: "Seit ich wieder trocken bin." Sie habe sich entschuldigt, die Tochter habe die Entschuldigung angenommen.

Die Richterin verzichtete angesichts der umfassenden Geständnisse auf weitere Zeugen, vor allem auf die Aussage der heute 22-jährigen Tochter, die sichtlich erleichtert war. Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer eine Strafe von einem Jahr und sieben Monaten für ihn, von neun Monaten für sie, jeweils mit einer Bewährungsfrist von drei Jahren.

Der Verteidiger des Mannes sprach von einem "außergewöhnlich unappetitlichen Fall" und von "moralischer Verwahrlosung" der beiden Partner, die ernsthafte Alkoholprobleme hatten. Der Verteidiger verwies aber auch auf die lange Zeit, die seit den Taten vergangen ist: Sie seien praktisch verjährt, auch wenn das de facto nicht der Fall sei. Das Strafmaß, das die Staatsanwältin gefordert hatte, halte er aber für unangemessen und zu hoch: Das Paar habe immerhin sechs Jahre zusammengelebt, und die Frau habe nie einen Grund gehabt, "ins Frauenhaus zu gehen oder den Mann aus dem Haus zu werfen". Auch der Verteidiger der Frau forderte eine geringere Strafe, sagte aber, dass er nicht "um ein, zwei Monate feilschen" wolle.