Balingen? Findet er super. Viele Jahre war Andreas Kraut nicht fest in seiner Heimatstadt, seit 2009 ist er zurück in leitender Position bei Bizerba. Das Unternehmen leitet er in fünfter Generation. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Bizerba-Chef spricht über Verantwortung, seine Heimatstadt Balingen und den Umzug ins Engelestäle

Balingen. Hier geboren, aufgewachsen, die Schule besucht – Andreas Kraut ist ein Balinger. Dazu kommt, dass das Familienunternehmen Bizerba, das er in fünfter Generation seit 2011 an vorderster Position leitet, nach 146 Jahren praktisch untrennbar mit Balingen verbunden ist. Was dem 38-Jährigen seine Heimatstadt bedeutet, ob ihn die lange Tradition belastet und was er an Balingen besonders schätzt, das sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Kraut, nach der Jugendzeit waren Sie 17 Jahre lang quasi Besucher in Balingen – während des Studiums, während der Arbeit in anderen Unternehmen, in anderen Ländern. Was sagen Sie: Wie hat sich Balingen entwickelt?

Einfach prima. Die Innenstadt mit der Fußgängerzone – toll. Mit meinem Vater bin ich als kleiner Junge manchmal zum Fußball, damals spielten die TSGler noch in unteren Regionen, heute in der Oberliga – Wahnsinn. Die HBW-Handballer spielen in der Bundesliga – auch Wahnsinn. Oder die Stadthalle: Super, was dort alles geboten wird. All das zeigt mir: Balingen lebt.

Was bedeutet Ihnen ihre Herkunft, ihre Heimatstadt Balingen?

Unglaublich viel. Ich weiß, wo ich herkomme, und das werde ich niemals vergessen oder verleugnen – das geht manchmal auch gar nicht, schließlich hört man auch bei mir den schwäbischen Dialekt. Darauf bin ich stolz. Meine Heimat gibt mir Halt, Stärke und Vertrauen.

Bevor Sie 2009 nach Balingen zurückkamen, waren Sie fünf Jahre für Bizerba in den USA. Was können Schwaben von den Amis lernen?

Vielleicht nicht nur die Schwaben, sondern alle Deutschen könnten sich einiges von den Amerikanern abschauen. Zuallererst deren durchweg positives Denken: Egal was passiert oder wie schlimm die Lage ist – sie schauen nach vorn, sie wollen anpacken, während die Deutschen eher zweifeln, ob sie wirklich das richtige tun. Anders herum gibt's natürlich auch viel zu lernen, fleißiges, sauberes, gut strukturiertes Arbeiten etwa. Und was die Bizerba-Tradition anbelangt, waren viele beeindruckt. Ein Gesprächspartner sagte mir einmal: Was? 140 Jahre baut ihr schon Waagen? Vor 140 Jahren haben wir noch gegen die Indianer gekämpft!

Heute besteht Bizerba seit 146 Jahren, Sie sind seit 2011 Vorsitzender der Geschäftsführung und damit Chef von 3200 Mitarbeitern weltweit, davon 1000 in Balingen. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?

Mit einer fein abgestimmten Mischung aus deutschen und amerikanischen Tugenden: Ich will etwas bewegen, will anpacken, und aus der langen Tradition und dem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Familie ziehe ich die Kraft und das Vertrauen, dass das auch klappt. Dass das Unternehmen und die Mitarbeiter an oberster Stelle stehen, dieses Bewusstsein habe ich gewissermaßen in den Genen. Ich habe früh erfahren, dass mein Großvater Wilhelm und mein Vater Günter Kraut als Gesellschafter und Chefs nicht nur im Chefsessel saßen, sondern Bizerba vollständig verkörperten: Als Chef eines Familienunternehmens ist man das Unternehmen, jederzeit. Und man geht auch nicht in Rente: Mein Großvater hat sich noch mit 80 Jahren regelmäßig über die Auftragslage informieren lassen. Es gibt das hässliche Bild vom Manager, der nur bis zum nächsten Quartal und außerdem an sein Geld denkt. Klar: Auch Bizerba muss Geld verdienen. Aber ich denke nicht in Quartalen, sondern in Generationen. Auch das habe ich von meinem Vater und vom Großvater gelernt.

Bizerba ist heute geschäftlich in aller Welt unterwegs. Welche Bedeutung hat da der Standort Balingen?

Es ist der Stammsitz, hier liegen unsere Wurzeln, hier kommen wir her. Bizerba ohne Balingen? Für mich undenkbar. Es stimmt: Wir sind international unterwegs, ich sehe es auch als meine Aufgabe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an, Bizerba weltweit voranzubringen – aber davon wird auch Balingen, wird die Region profitieren: Wir stecken hier jetzt viel Geld in ein neues Ausbildungszentrum für Mechatroniker, werden künftig noch mehr ausbilden. Hier in der Region sind gute Leute, denen wollen wir etwas bieten.

Sie leben seit der Rückkehr aus den USA in Rottenburg, sind also noch nicht wirklich wieder ein richtiger Balinger. Ändert sich das noch?

Oh ja. Nach Rottenburg bin ich mit meiner Frau und den Kindern gezogen, weil sich damals einfach etwas passendes ergeben hat. Wir haben jetzt die Villa meiner Großeltern im Engelestäle übernommen, wir werden sie umbauen und dann auch einziehen. Dann bin ich, und das ist schön, endgültig wieder zuhause.

u  Fragen: Steffen Maier