Der Copyshop am Alten Markt in Balingen wurde letztes Jahr überfallen. Die Räuber stehen seit gestern vor Gericht. Foto: Maier

Überfall auf Copyshop im vergangenen Sommer. Seit Montag läuft in Hechingen der Prozess gegen zwei Männer.

Balingen/Hechingen - Vermummt, in ein Tuch gewickelt stürmt ein 22-Jähriger in den Copyshop am Alten Markt in Balingen. Er richtet eine Pistole auf den Kopf des Angestellten, der gerade beginnen will die Kaffemaschine zu putzen. Der Maskierte ruft "Überfall!", fordert das Geld aus der Kasse. Auch ein Messer hat der Räuber dabei. Der Angestellte reicht ihm ohne zu zögern das Geld. Er hat Angst. So geschehen im August vergangenen Jahres.

Seit gestern stehen der zum Tatzeitpunkt 22-Jährige und sein zwei Jahre jüngerer Komplize in Hechingen vor der großen Jugendkammer des Landgerichts. Mit Fußfesselnschlurfen die Männer auf ihren Platz im Gerichtssaal. Beide sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Ihre Tat gestehen sie nach mehreren Vernehmungen. Der Jüngere der beiden habe an dem Abend im August zunächst die Lage im Copyshop "gecheckt", dem Älteren dann grünes Licht gegeben. So weit sind sich die beiden einig. Bei den Details allerdings herrscht Unklarheit. Darüber etwa, wer die Beute aufgeteilt hat. Wer wieviel Profit aus der gemeinsamen Aktion gezogen hat, darüber ob einer der beiden den anderen dominiert hat.

Auch die Motive für die Tat scheinen auf den ersten Blick die selben zu sein. Mehr als vier Stunden lang erzählen die Angeklagten gestern von ihrer Drogensucht, verlorenen Sportwetten, Schulden und einer schweren Kindheit. Mit dem Unterschied, dass man als außenstehender Beobachter nur einem die Reue und die schwere Lebenssituation so richtig abnimmt – vielleicht liegt es am Auftreten.

Schon einige Jahre bevor er mit einer Soft-Air-Pistole in den Copyshop rennt, konsumiert der heute 23-jährige Angeklagte auf dem Schulhof das erste Mal Marihuana. Er will dazugehören. Von seinen Mitschülern wird er gemobbt, laut Aussage seiner Mutter "weil er die falschen Kleider hat". Der Jugendliche hat oft Kopf- und Magenschmerzen, ist viel krank, hat später Probleme in der Lehre, weil er dem Druck nicht standhalten kann. Die Drogen spielen eine immer größere Rolle. Diebstähle und Depressionen kommen dazu. In der Psychiatrie lernt er ein Mädchen kennen. Auch sie hat Probleme. "Er war richtig verliebt", erzählt die Mutter. "Das Mädchen hat ihm gegeben, was er gebraucht hat: Selbstwertgefühl".

Dann stirbt der Vater an Krebs. Die Freundin schafft es nicht den jungen Mann zu trösten, immer mehr Drogen müssen her. Als die Frau den jungen Mann verlässt bricht eine Welt für ihn zusammen – Briefe, die er aus der U-Haft schreibt, in denen er seine Tat und seine Liebe erklärt, belegen das. Jetzt will er eine Therapie. Dringend. Einen Platz gebe es, sagt der Richter.

Mindestens so therapiebedürftig, dafür in seiner Art weniger zurückhaltend, ist der zweite Angeklagte. Täglich sei er in den Copyshop gegangen um Sportwetten abzuschließen, erzählt er. Die Schulden haben sich summiert. "Wissen Sie", betont er nach jedem Satz, als wolle er dem Gericht erklären, wie es in seiner Welt zugeht. Und als sein "Kollege" versucht, ihm eine größere Rolle in dem Verbrechen zuzuschreiben, als er vielleicht tatsächlich hatte, sagt er bestimmt: "Das muss ich mir nicht geben", und lässt die Faust auf den Tisch fallen. Sympathisch wirkt das nicht, vergrößert seine Mitschuld jedoch auch nicht. Heute will der Richter die Beweisaufnahme schließen.