"Kirchner" ist abgehakt – nun macht sich die Kunststadt Balingen auf zu neuen Ufern. Wo diese liegen, ist unklar. Foto: Maier

Weniger Besucher als erhofft: Ausstellung kostete Stadt rund 300.000 Euro. "Müssen Kunststadt neu erfinden."

Balingen - Nicht lange hinterherjammern, vielmehr Neues anpacken: Das ist der Tenor gewesen am Dienstagabend im Balinger Gemeinderat bei der Debatte um den Abschlussbericht zur Kunstausstellung Ernst Ludwig Kirchner im Sommer 2016.

Obwohl von hoher Qualität, war die Schau am Ende ein sattes Zuschussgeschäft – wie schon einige Ausstellungen davor auch. Etwas mehr als 20.000 Besucher kamen – und damit weniger als gedacht. Am Ende kostete die Ausstellung die Stadt rund 300.000 Euro.

Sprecher aller Fraktionen machten – mal mehr, mal weniger – deutlich, dass mit "Kirchner" die vor allem in den 1990er-Jahren über die Maßen erfolgreiche Zeit der großen Balinger Kunstausstellungen zu Ende gegangen sei. Für ein weiteres kulturelles Großprojekt gebe es derzeit "keine Überlegungen", sagte Oberbürgermeister Helmut Reitemann. Nach oftmals erfolgreichen Schauen ist das ein fast schon heimliches, stilles Ende mit Schrecken – nach vielen Jahren, in denen die Ergebnisse der Ausstellungen immer wieder aufs neue erschreckten, ohne dass die Reißleine gezogen worden wäre.

Gleichwohl, auch das machten die Fraktionen deutlich, will man künftig auf Kunst und Kultur in Balingen keineswegs verzichten. Die Stadt habe sich dadurch einen guten Namen und Ruf erworben, sagte Bernhard Rewes (CDU), das sei eine "Verpflichtung". Klar sei, dass Kunst und Kultur immer ein Zuschussgeschäft sein werden. Klar sei aber auch, dass man "neue Konzepte" erörtern müsse – etwas im Zusammenhang mit der Gartenschau im Jahr 2023.

"Wir müssen uns als Kunststadt neu erfinden", sagte FDP-Mann Dietmar Foth. Dabei müsse man die Balinger mitnehmen, die Region einbeziehen – am besten wäre es, wenn sich aus der Stadt heraus diese neue Kunststadt entwickle, so Foth weiter.

Die Balinger stärker einbinden – das wünscht sich auch Alexander Maute (SPD). Man müsse es so ausrichten, dass die hiesige Bevölkerung Kunstausstellungen – in welcher Form auch immer – als "ihre Sache" begreife. Bei Kircher habe das nicht geklappt: Nur sechs Prozent der Balinger waren in der Ausstellung – aber bezahlen mussten sie sie samt der Verluste zu 100 Prozent, so Maute. Von der Stadtverwaltung erwarte er "zeitnah konzeptionelle Überlegungen", wie es mit Kunst und Kultur weitergehen soll.

Als "deprimierend" bewertete Werner Jessen (Freie Wähler) die Kirchner-Bilanz. Man müsse konstatieren, dass diese Form von Ausstellungen und diese Art der Kunst – zuletzt wurden in Balingen vor allem Werke der Klassischen Moderne gezeigt – "nicht mehr zieht". Jessen regte an, einen Arbeitskreis zu bilden, bestehend aus Künstlern, Vertretern der Stadthalle und des Gemeinderats; dieser solle sich Gedanken über eine Neuausrichtung machen.

Gegen eine solche Vorgehensweise sprach sich Conny Richter (Grüne) aus. Kunst sei wild und frei, Kunst könne man nicht in einem Arbeitskreis planen, nicht von oben herab verordnen. Man solle auch nicht versuchen, "auf Biegen und Brechen" etwas Neues zu finden, sondern der Sache Zeit geben. Ihr sei nicht bange, so Richter, dass sich in Balingen etwas Kreatives neu entwickeln werde.