An der Hammond-Orgel: Keyboard-Legende Brian Auger 1970 beim Konzert in Balingen. Foto: Jörg Becker

Christoph Wagner erinnert in neuem Buch an 68er-Bewegung auf der Zollernalb. Vortrag im Landratsamt.

Balingen - Lange Haare, Joints und Blumen, Hippie-Invasion auf der Zollernalb: Der Musikjournalist Christoph Wagner hat auf 387 Seiten Erinnerungen und Dokumente aus den magischen Jahren des westdeutschen Musik-Underground zusammengetragen.

Er, Jahrgang 1956, bezeichnet sich als "spätgeborenen 68er", der in den Woodstock-Jahren ein "pubertierender Teenager" war. Anfang der 1970er-Jahre war er der "Leithammel" der Gruppe, die die ZAK-Musik in der Eberthalle organisierte. Konzerte mit Gruppen wie Embryo oder Missus Beastly. "Ich habe die Zeit hautnah miterlebt", sagt Christoph Wagner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Er erinnert in seinem Buch an die Festivals, die damals im Kommen waren, an die Internationalen Essener Songtage 1968, bei denen Underground-Ikone Frank Zappa aufgetreten war. Ein Jahr später wurden bereits für das Essener Pop- und Blues-Festival Größen wie Deep Purple und Pink Floyd engagiert – "für’n Appel und ’n Ei". Pink Floyd brachten die eigene Anlage mit einem Laster mit und kassierten 1200 Pfund Gage.

Die 68er-Bewegung beschränkte sich nicht auf die Großstädte. Auch in der "Zollernälbler Provinz" kam die subkulturelle Botschaft an. Mit den neuen elektrischen Klängen hielten lange Haare, bunte Klamotten und ein lässiges Auftreten Einzug. Erste Popkonzerte wurden meistens von alternativen Jugendgruppen organisiert. So kam es, dass Gruppen wie Kraftwerk und The Blues Project im Hechinger Museum auftraten, Spooky Tooth und die Scorpions in Albstadt, Alexis Korner und Brian Auger in Balingen.

Rund 300 Bands interviewt

"Danach ging’s relativ rasch", sagt Christoph Wagner. "Vor der Balinger Stadtkirche ist die Hippie-Jugend auf dem Boden rumgesessen, hat erste Joints geraucht, es wurden Kommunen gegründet, Häuser besetzt, Konzerte organisiert." Er selbst habe seit 1993 seinen "Radar angehabt", habe rund 300 Bands interviewt, Unterlagen zusammengetragen. Vieles habe er auch im Kreisarchiv des Zollernalbkreises entdeckt, in alten Zeitungsbänden. Unter anderem, dass Black Sabbath Anfang der 70er vor 120 Leuten in Schorndorf gespielt hatte.

Entstanden ist so die Dokumentation "Der Klang der Revolte. Die magischen Jahre des westdeutschen Musik-Underground". Darin findet sich "alles, was aufzutreiben war, auch von den Bands selber", O-Töne, Anekdoten, eine feuilletonistische, lesbare, aber gleichzeitig auch "knüppelharte Studie" über die Jahre 1967 bis 1973. "Persönlich ist nur das einleitende Kapitel", gesteht der Autor.

Der gebürtige Balinger Christoph Wagner, der heute als Musikjournalist, Rundfunk- und Buchautor arbeitet und England "zwischen Manchester und Leeds" lebt, hat sein Buch beim Schott-Verlag in Mainz veröffentlicht. Herausgegeben wurde es vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg, finanziell gefördert unter anderem vom Zollernalbkreis.

Der Anstoß dazu, das Buch in einem Vortrag mit Bildern im Balinger Landratsamt vorzustellen, kam von Kreisarchivar Andreas Zekorn, der auch Vorsitzender der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb ist.

Vorgestellt wird das Buch am kommenden Donnerstag, 18. April, ab 19.30 Uhr im Balinger Landratsamt. Eine stilgerechte musikalische Umrahmung gibt es auch: Sie kommt vom Stuttgarter Loop-Jazz-Duos Fifty-Fifty (Manfred Kniel, Schlagzeug, und Ekkehard Rössle, Saxofon). "Leise Töne, kein Underground", sagt Wagner über das Duo. Und: "Die Zeit der 68er ist vorüber."

Das Buch

Christoph Wagner, "Der Klang der Revolte. Die magischen Jahre des westdeutschen Musik-Underground", Schott Verlag, Mainz 2013, 387 Seiten, 24,95 Euro.