Wegen falscher Abrechungen steht ein ehemaliger Balinger Pflegedienst erneut vor Gericht. Gegen das Urteil des Amtsgerichts waren die Angeklagten in Berufung gegangen. (Symbolfoto) Foto: Sauer

Geschäftsführerin und Mitarbeiterin von "Geronto" und "Pingu" seit Dienstag vor Hechinger Landgericht.

Hechingen/Balingen - Eine scheinbar unendliche Geschichte geht weiter: Die Geschäftsführerin und eine Mitarbeiterin eines Balinger Pflegediensts stehen seit Dienstag erneut vor Gericht. Sie sollen zwischen 2011 und 2014 systematisch Leistungsnachweise manipuliert und Krankenkassen geprellt haben.

In der Berufungsverhandlung vor der 11. Kleinen Strafkammer des Hechinger Landgerichts geht es um ein Urteil des Hechinger Amtsgerichts vom Juni vergangenen Jahres. Die heute 46-jährige Geschäftsführerin des Pflegediensts wurde damals wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 36 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Eine Mitarbeiterin, deren Kürzel mit deren Wissen missbraucht, zum Teil auch gefälscht worden war, und die zudem Dienstpläne gefälscht haben soll, zu 270 Tagessätzen zu je 30 Euro. Mit Unterstützung der damals mitangeklagte Pflegedienstleiterin und einer weiteren Frau, die ihren Sohn, einen Wachkomapatienten, selbst gepflegt hatte, waren die AOK, die DAK und die Barmer GEK um Hunderttausende Euro geschädigt worden.

Wie macht man so was? Ganz einfach: Man setzt dort, wo es gesetzlich gar nicht zulässig ist – zum Beispiel bei Wachkomapatienten oder bei Pflegebedürftigen mit Tracheostoma – minderqualifizierte Kräfte oder Pflegekräfte aus dem Ausland ein, die in Deutschland keine Zulassung haben. Dafür stellt man den zuständigen Kranken- und Pflegekassen aber qualifizierte Fachkräfte in Rechnung. Besonders dreist fand das Gericht in erster Instanz: Auch nachdem die polizeilichen Ermittlungen begonnen hatten, wurde unbeeindruckt weitergemacht.

Die Pflegedienstleiterin war in erster Instanz wegen Betrugs in elf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Frau, die ihren Sohn selbst gepflegt hatte, zu 180 Tagessätze zu je 50 Euro.

Alle vier Frauen waren zunächst gegen das Urteil des Amtsgerichts in Berufung gegangen; die letzteren Beiden haben mittlerweile die Berufung zurückgezogen; für sie ist das Urteil des Amtsgerichts damit rechtskräftig.

Im Fall der anderen beiden Frauen will auch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil vorgehen – wie der Vorsitzende Richter Volker Schwarz gestern bemerkte – zum Nachteil der Angeklagten.

Die ließen – genau wie in der ersten Verhandlung – ihre Verteidiger vorneweg erklären, dass sie "erst mal keine Aussagen" machen würden. Schade, meinte der Richter. Er habe nämlich gehofft, zu erfahren, was es an dem Urteil des Amtsgerichts auszusetzen gebe.

Eine lange Liste von Einzeltaten verlas er daraufhin; Unterschriften und Kürzel von Pflegekräften wurden in Augenschein genommen, blanko unterschriebene Leistungsnachweise. Im Einvernehmen mit den Verteidigern und dem Staatsanwalt einigte man sich, drei Zeugen nicht mehr vorzuladen und stattdessen nur zu verlesen, was sie bei der Polizei ausgesagt hatten.

Als erste Zeugin wurde die Frau gehört, deren Sohn seit 2007 im Wachkoma liegt und die in erster Instanz mit angeklagt war. Ihr sei wichtig gewesen, dass die Pflegekräfte gut arbeiteten, sagte sie. Für Qualifikationen habe sie sich weniger interessiert. "Es geht nicht um Empathie", sagte der Richter, "sondern darum, dass eine Pflegekraft im Notfall weiß, was sie tun muss."

An mehreren Verhandlungstagen wird jetzt das Verfahren erneut aufgerollt, weitere Zeugen sollen gehört werden. Nach derzeitigem Stand soll das Urteil am Dienstag, 16. Mai, verkündet werden.