Der Bedarf an Pflegeplätzen ist groß. In einer neuen Konzeption wird aufgezeigt, was zur Abhilfe getan werden kann. Foto: Warmuth

Investoren sind da, Personal ist knapp. Bedarf wird in den nächsten Jahren stark steigen.

Balingen - Steigender Bedarf – was tun? Mit Blick auf die strategische Entwicklung von Pflegeheimplätzen hat die Stadt Balingen nun eine Konzeption erarbeitet und darin Wünsche und Kriterien formuliert, nach denen neue stationäre Einrichtungen künftig gebaut und betrieben werden sollen.

Balingen. Die Konzeption stellte Claus Seyfried vom Pflegestützpunkt am Dienstag im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats vor. Entstanden ist diese nach vielen Gesprächen am "Runden Tisch Pflege", dem neben Oberbürgermeister Helmut Reitemann Vertreter stationärer und ambulanter Pflegedienste wie auch ehrenamtlicher Hilfedienste angehören, sowie nach einer Umfrage unter den Betreibern von Pflegeheimen im Balinger Stadtgebiet. Die Datengrundlage lieferte der Tübinger Bevölkerungsprognostiker Tilmann Häusser.

OB Reitemann sagte im Verwaltungsausschuss, dass die Nachfrage von Betreibern und Investoren nach geeigneten Standorten für Pflegeheimeaktuell groß sei. Mit der Konzeption habe man nun klare Kriterien erarbeitet, nach denen städtische Grundstücke für diesen Zweck künftig vergeben werden sollen. So sei eine Grundstückspolitik, allerdings mit begrenztem Spielraum, möglich. Wenn ein Betreiber eine Einrichtung, auch mit anderen Konzepten, auf Privatgelände errichten wolle und baurechtlich nichts entgegenstehe, müsse diese genehmigt werden.

Ehrenamtliche könnten mithelfen

Häusser geht aufgrund der stetig steigenden Lebenserwartung von einem deutlich wachsenden Bedarf an vollstationären Pflegeheimplätzen in Balingen aus. Aktuell gibt es in der Seniorenresidenz an der Eyach sowie im Haus am Stettberg in Balingen, im Gerhard-Rehm-Haus in Engstlatt, im Hörnleblick sowie im Münzehof in Frommern und im Haus Sonnenblick in Zillhausen rund 407 Plätze. Aufgrund der neuen Heimbauverordnung, die ab 1. September 2019 Einzelzimmer zwingend vorschreibt, wird sich diese Zahl um rund 70 auf 337 Plätze verringern; die Pflegeheimbetreiber planen laut Seyfried derzeit einen moderaten Ausbau auf insgesamt 356 Pflegeheimplätze.

Immer noch viel zu wenig, sagt Bevölkerungsexperte Häusser: Er hat für das Jahr 2020 einen Bedarf von 409, für das Jahr 2030 sogar einen Bedarf von 472 vollstationären Pflegeplätzen in Balingen errechnet. Schon heute sind die Heime in Balingen allesamt fast komplett ausgelastet. Zum größten Teil leben dort Frauen im Alter zwischen 80 und 99 Jahren. Es gebe Wartelisten, sagte Seyfried, oftmals sei es schwierig, einen Platz in einem Pflegeheim zu erhalten.

Die absehbare, noch größer werdende Bedarfslücke soll, so ist es in der Konzeption festgehalten, durch zwei bis drei neue, stadtteilnahe Einrichtungen mit möglichst guter Anbindung an die örtliche und verkehrstechnische Infrastruktur geschlossen werden. Empfohlen wird der Bau von kleineren Pflegeheimen mit 45 bis 70 Plätzen – maximal 100 sind laut Heimbauverordnung möglich. Für das Wohlbefinden der Bewohner sollen ehrenamtlich Engagierte eingebunden werden.

Angestrebt werden soll zudem eine Vielfalt an Trägerkonzepten – neben den in Balingen derzeit überwiegenden sogenannten Altenwohnhäusern sowie dem Münzehof, das einer stationären Hausgemeinschaft und damit einer modernen Generation von Pflegeheimtypus entspricht, sollen nach Möglichkeit Einrichtungen mit konsequentem Hausgemeinschaftskonzept sowie stationäre Plätze für Demenzkranke errichtet werden.

Nur neue Pflegeheime zu bauen bringe allerdings gar nichts, sagte SPD-Stadtrat Kurt Haigis. Entscheidend für die Zukunft der Pflege sei, ausreichend Personal zu bekommen, auch dadurch, dass man Pflegekräfte ordentlich bezahle und dem Beruf gesamtgesellschaftlich mehr Anerkennung zukommen lasse.

Zahlreiche Alternativen zu Pflegeheimen

Ausreichend Personal zu finden, das ist schon heute für die Betreiber der Heime ein Problem. Ebenso für die ambulanten Pflegedienste, die ebenfalls eine hohe Nachfrage verzeichnen und durch ihre Arbeit einen Umzug in ein Pflegeheim als "letzten Schritt" oftmals verhindern helfen können. Die demografische Entwicklung, die von einer Überalterung der Gesellschaft geprägt ist, bringt auf der anderen Seite eine sogenannte Unterjüngung mit sich: Um die weniger werdenden Jugendlichen werben viele Anbieter von Ausbildungsplätzen, die Altenpflege scheint dabei nicht sonderlich attraktiv zu sein.

Derweil haben sich in Balingen für ältere Menschen in den vergangenen Jahren zahlreiche Alternativen zu Pflegeheimen aufgetan: Neben dem Bürgerkontakt wirken Gruppen wie der "Treffpunkt60plusminus" in Weilstetten, die Gemeinschaft "Jong & alt, zemma halt" in Ostdorf sowie die Nachbarschaften Schmiden und Neige der sozialen Isolierung älterer Mitbürger entgegen. Sehr aktiv ist in dieser Hinsicht das Balinger Generationennetz, das ein Wohnprojekt für alle Generationen nahe der Spitalwiese anstrebt.